Predigten im Jahre 1952 - 19 - | Lugar/Ort:Gelsenkirchen-Buer-Hassel
Fecha/Datum: / / | Otros Lugares/Weitere Predigtorte:
| Año Eclesiástico/Kirchenjahr:1952 | Libro Bíblico/Buchbezeichnung:Johannes 6, 30 - 35 | | |
Skopus: Jesus-Brot des Lebens | | Predigten im Jahre 1952 - 19 - Johannes 6, 30 - 35 "Da sprachen sie zu Jesus: Was tust du denn für ein Zeichen, auf daß wir sehen und glauben dir? Was wirkst du? Unsere Väter haben Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht: Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen. Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Mose hat euch nicht das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das rechte Brot vom Himmel. Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allewege solch Brot. Jesus aber sprach zu ihnen: ICH BIN DAS BROT DES LEBENS. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten."
"Was tust du für ein Zeichen, auf daß wir sehen und glauben dir?" Das ist die Frage, die die Juden an Jesus richten. Wahrlich eine Frage, die doch selbstverständlich ist. Das wären doch dumme Menschen, die mit einem wildfremden Menschen schwerwiegende Verhandlungen führen und noch nicht einmal wissen, wer der ist, der vor ihnen steht. Das Wenigste, was man von einem Menschen, der mit mir in eine Verbindung treten will, erwarten kann, ist, daß er mir seinen Personalausweis oder die Vollmacht seiner Firma vorlegt. Viele Menschen bei uns sind schon dadurch hereingefallen, daß sie dieses nicht in genügender Weise beachtet haben. Wenn das schon im alltäglichen Leben gilt, wie viel mehr muß dann dieses gelten, wenn da ein Mensch auftritt, der von sich behauptet, daß Gott, der Herr, sein Vater sei. Da aben die Juden schon recht, wenn sie an dem Punkt, wo es um Gott, den Herrn, geht, äußerst vorsichtig und peinlichst genau sind. Nur zu leicht könnten sie einem religiösen Betrüger in die Hände fallen. Und die Geschichte des israelitischen Volkes ist voll von Beispielen, wo sie sich religiösen Betrügern verschrieben und damit Gott verlassen haben. Wir könnten uns also von Herzen darüber freuen, daß sie aus ihrer langen Geschichte gelernt haben und nicht mehr gewillt sind, sich an der Nase herumführen zu lassen. So können wir es wahrhaftig den Menschen unserer Tage auch nicht verdenken, daß sie die Kirche, daß sie die einzelnen Gemeinden, wenn sie die Verkündiger und jedes Gemeindeglied insgesamt, fragen: "Was tust du für ein Zeichen, damit wir erfahren, in wessen Auftrag kommst du, damit wir auch glauben?' Was wäre das für eine herrliche Sache, wenn wir nicht dabei zu zögern brauchten und frei und in aller Offenheit unseren Ausweis, unsere Vollmacht von Gott, unserem Herrn, vorlegen könnten. Soweit ist alles in Ordnung und wir können nur ermuntern: Fragt nur immerzu danach, in wessen Auftrag die einzelnen Menschen zu euch kommen, damit ihr nicht Verführern und Betrügern in die Hände fällt. Aber die Freude, die wir hier haben dürfen, hat einen bitteren Beigeschmack und vielleicht müssen wir sogar erkennen, daß diese Freude garnicht recht am Platze ist, denn es kommt alles darauf an, zu klären, warum diese Frage von den Juden gestellt worden ist? Wir sagten vorhin, daß, bevor ein Mensch mit uns in ein Gespräch kommen will, er sich uns vorgestellt und ausgewiesen haben muß. Dabei ist es doch eine Selbstverständlichkeit, daß man über die Vorstellung zu der eigentlichen Sache kommt, zu dem eigentlichen Auftrag, zu der vorgesehenen Verhandlung. Hier ist es allerdings so, daß die Menschen, die fragen, keinen Wert darauf legen, was ihnen durch diesen Menschen, der da vor ihnen steht, gesagt wird, sondern es kommt alles darauf an, daß die Vorstellung, daß das Vorzeigen des Ausweises überhaupt nicht gefragt ist. Wir erinnern uns gut der kurz hinter uns liegenden Zeit, da war es üblich, daß, wenn man mit irgendeinem Menschen in Kontakt kommen wollte, man seine Visitenkarte forderte, aber diese geforderte Visitenkarte war nicht aus Papier, sondern bestand darin, seine Tasche zu öffnen und Eier und Wurst herauszuholen. Und dann haben wir sehen können, mit welch einer Begeisterung man bei dieser Vorstellung war. Und die meisten hätten es am liebsten gesehen, wenn das Auspacken der Eier und der Würste niemals aufgehört hätte. Nun müssen wir erkennen, daß es in unserem Text in ähnlicher Weise zugegangen ist. Es war doch schon eine tolle Angelegenheit, daß da ein Mensch lebte, der in einer einzigartigen Weise seine Visitenkarten vorlegte. Wir wissen, daß alle seine Wunder ihn ausweisen sollten als den, der von seinem Vater im Himmel zu diesem seinem Volk gesandt worden ist. Und es war sehr interessant, alle diese vielen Wunder zu erleben, mit dabei sein zu dürfen, sodaß man kein Verlangen mehr hatte, zu hören auf das, was dieser Mann im Auftrage seines Vaters zu sagen hatte. Zur Sache wollte man nicht kommen, sondern verlangte immer mehr Wunder. Es genügte nicht, daß er noch am Tage vorher die 5.000 Menschen gespeist hatte. Das Volk wollte, wie die Heiden, daß die Wunder immer geschehen würden. Darum ist die Frage nach dem Ausweis, nach der Vollmacht Jesu Christi nichts anderes als die Forderung nach MEHR WUNDER. Dabei spielte es für sie keine Rolle, ob er Gottes Sohn sei oder so irgendein Wanderprediger. Die Hauptsache für das Volk war, Sensationen und Wunder zu erleben. Das ist bis auf den heutigen Tag nicht anders geworden. Noch heute kommt die Frage immer wieder von außerhalb der Kirche: "Was tust du denn für ein Zeichen, auf daß wir sehen und dir glauben?" Allerdings steht diese Frage unter der großen Enttäuschung, daß man schon zu lange gewartet auf die Wunder und man hatte umsonst gewartet. Es hatte sich eben nichts ereignet. Wie viele Menschen hatten ihre ganze Hoffnung schon auf die Kirche gesetzt, daß sie die Welt vor dem Kriege bewahre. Man wartete förmlich auf dieses Wunder. Und es ist nicht geschehen. Wie viele Menschen warten heute wieder darauf, daß durch den christlichen Glauben ein neuer Weltkrieg verhindert wird. Und wieviele Menschen außerhalb der Kirche fragten und fragen noch, ob jetzt nicht endlich die Frage der Flüchtlinge und der Kriuegsgefangenen durch die Kirche gelöst werden kann. Wir wissen aber von vornherein, daß diese Fragen gestellt werden, nicht mehr in der Hoffnung, daß es doch einmal geschehen könne, sondern als eine einzige große Anklage. Ob diese Anklage zu recht besteht, weiß ich nicht zu beantworten, aber das eine steht fest, daß die Kirchen nicht voller werden würden, wenn diese Wunder geschehen würden, sondern man würde dann ebenfalls wieder nach anderen Wundern schreien. Aber wir wollen nicht stehen bleiben bei Menschen, die außerhalb der Kirche stehen, sondern ist es nicht allgemein auch unter uns Christen so, daß wir wundersüchtig sind? Wir Christen sind doch in derselben Weise enttäuscht über unsere Kirche, auch über Jesus Christus, wie die Menschen außerhalb der Kirche. Auch wir stellen an Jesus Christus, an die Verkündiger, an unsere Brüder und Schwestern, die Frage: "Was tust du für ein Zeichen, auf daß wir sehen und dir glauben?" Wir möchten doch alle so gern Wunder erleben, aber warum gibt eigentlich Gott unseren Wünschen und Sehnsüchten nicht nach? Wir möchten in unserer Kirche große Zeiten erleben, von denen wir unseren Kindern und Kindes Kindern noch stolz erzählen können, so wie die Juden Jesus ja daran erinnern, daß ihre Vorfahren solcher Wunder gewürdigt wurden: "Unsere Väter haben Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht: Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen?" So träumen wir von der Reformationszeit und von neuen Erweckungszeiten. Voll Sehnsucht denken wir daran und seufzen: Ach hätten wir doch wieder einen Martin Luther! Und die anderen flehen: Herr, schenke uns wieder einen Volkening oder einen Gerhard Teerstegen, damit wieder das Wunder sichtbar werde: Menschen in Massen strömen zu Christus. Wir möchten wieder mit voller Begeisterung singen können: "Es ist ein froh Getöne ringsum im Land erwacht." In Deutschland sind wir sogar mit kleinen Wundergeschichten zufrieden, wie in verschiedenen Gruppen und Kreisen man sich gern immer und immer wieder die Bekehrungsgeschichten einiger weniger erzählen läßt. Da sich das große Wunder nicht ereignet, versuchen wir ein wenig aus eigener Kraft nachzuhelfen und sind dabei, das einmal Geschehene wieder neu entstehen zu lassen und dabei kommen die gräßlichsten Verzerrungen heraus. Gottes einmaliges Handeln läßt sich durch Menschen nicht nachmachen. Oder denken wir daran, wie oft die Frage an den Pfarrer oder an einen anderen hauptamtlichen Verkündiger der Gemeinde gestellt wird: "Was tust du denn für ein Zeichen, damit wir es sehen und dir glauben?" Eingangs sagten wir schon, daß solch eine Frage durchaus ihre Berechtigung haben kann, aber wie erschütternd ist es, daß wir feststellen müssen, das auch dahinter die Frage insgeheim steht: Erleben wir bei dir wirklich ein Wunder; ein Wunder etwa dergestalt, daß du genau in den Rahmen hineinpaßt, den wir uns von dir gemacht haben, wie du sein sollst, natürlich nach unseren Wünschen. Wehe aber, wenn er nicht erfüllt, was wir uns von ihm erträumt haben. Grollend ziehen wir uns dann von ihm zurück und tun es dem, der es wissen will oder sogar dem, der es garnicht wissen will, kund. Wir erzählen es dann groß und breit, was wir für Enttäuschungen wir mit unserem Pfarrer erlebt haben. In unserem beleidigten Stolz schielen wir dann zu einem anderen Pfarrer in der Nachbarschaft und suchen den, der in unsere Form hineinpaßt. Wir geben uns dabei der großen Lüge hin, als ob es einen Idealpastor für uns geben könnte. All dieses Getue kommt aus einer häßlichen und ichhaften Wundersüchtigkeit heraus, in der wir Jesus Christus vorschreiben, was er aus anderen Menschen machen soll, damit sie uns gefallen. Wir gleichen nur zu leicht Menschen mit dem scheelen Blick, der alles andere sieht, nur nicht das, was Gott ihm geschenkt hat. Ob Jesus Christus der Wundersüchtigkeit der Menschen von damals und auch von heute nachgibt? Gott sei Lob und Dank, daß wir einen haben, der unseren scheelen Blick wieder in die rechte Richtung bringt. Als die Juden da vor ihm stehen und aus ihm neue Wunder herauslocken móchten, auch indem sie ihn auf vergangene Situationen hinweisen, gibt er sich in keinster Weise diesem Lockmittel hin. Er wird auch unser sehnsüchtiges Ausschauen nach einem neuen Luther, oder nach einem Volkening oder Teerstegen, nach einer neuen Reformation und nach neuen Erweckungszeiten, er wird auch unser Träumen nach einem Pfarrer, der allen unseren Wünschen entspricht, nicht erfüllen, denn was sind schon alle unsere Träume, die wir haben? Was ist schon eine sogenannte Größe im Reiche Gottes. Alles, was durch die Hand der Menschen geht, wird verzerrt und verstellt, und dabei spielt es keine Rolle, ob es Mose ist, oder Martin Luther oder sonst ein sogannter GESEGNETER MANN. "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, Mose hat euch nicht das Brot vom Himmel gegeben!" Das Volk Gottes hatte es nur zu bald vergessen, daß auch das Manna zu einer stinkenden und vermodernden Masse werden kann. Und wir wissen, daß das Volk, das sich 40 Jahre lang davon ernähren mußte, schließlich sich auch vor diesem wirklichen Wunder vor Ekel schüttelte. Es ruft aus: "Wir ekeln uns vor dieser mageren Speise." Wir werden also weggerufen von aller Wundergläubigkeit der Vergangenheit und der Gegenwart. Wir, die wir unser scheeles Auge immer richten auf die Dinge, die uns Jesus Christus schicken soll, werden aufgefordert und ermuntert, nicht mehr nach diesen und jenen erträumten Dingen zu schielen, sondern den Blick frei und geradeaus zu richten auf den, den wir bei all unserer Wundergläubigkeit nicht mehr beachtet haben, auf den Herrn selbst. "Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens." Müssen wir uns nicht alle vor die Brust schlagen und bekennen, wie konnte ich nur so im Nichtigen, in unseren Träumen und Wünschen stecken bleiben? War es nicht wirklich so, daß wir, die wir nach allen möglichen Dingen ausschauten, im letzten Grunde der Meinung waren, daß Jesus Christus uns verlassen hat? Wenn wir uns nach einer neuen Reformation, nach Erweckungszeiten sehnen und sie herabflehen, ist dann nicht damit zum Ausdruck gebracht, Jesus Christus hat wohl damals in einzigartiger Weise geholfen, aber heute nimmt er seine Aufgabe gar nicht mehr ernst? Er ist doch ein wenig faul geworden? Oder wenn er uns, die wir hier versammelt sind, zu einer Gemeinde zusammengeschlossen hat, und wir an uns gegenseitig herumnörgeln und an dem einen mehr auszusetzen haben als an dem anderen, und wir meinen, wir müßten uns von dieser Gemeinde abwenden, wir müßten uns grollend zurückziehen, stellen wir dann nicht unserem Herrn ein Armutszeugnis aus: O, wie erbärmlich, Herr, hast du dir deine Gemeinde zurecht gemacht! Wir sehen, wie unmöglich wir darin sind, wir brauchen aber nicht mehr erbärmlich darin zu sein. Wir brauchen nicht mehr uns, unsere eigenen Wünsche und Ziele in den Mittelpunkt rücken, sondern wir dürfen uns erkennen als die eine große Gemeinde der Hungrigen und Unvollkommenen. Wir brauchen keine erhebende Stunden, keine ideale Gemeinden, keine unseren Wünschen entsprechende Hirten und Lehrer, sondern wir brauchen ausschließlich und allein das BROT DES LEBENS. Und dazu ist es nicht nötig, dieses Brot lange zu suchen, sondern dieses Brot steht vor uns in der Gestalt unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. Er bietet sich den Juden an, er bietet sich in dieser Stunde auch uns an. Laß deine Fantasieen und Träume, laß dein Ausschauen nach Wunder fahren und greife zu. Dieses Brot ist kein anderes als was Gott auch damals im Volke Israel, in der Reformationszeit und in den Erweckungszeiten bis auf den heutigen Tag angeboten hat. Es ist daselbe Brot, daß auch bei uns in der Gemeinde dargeboten wird. Laßt uns erkennen, daß es um dieses Brot auch bei uns geht: "Jesus Christus spricht: ICH BIN DAS BROT DES LEBENS." Solange dieses Brot hier noch angeboten und verteilt wird, brauchen wir nicht zu schielen, sondern nur zuzugreifen.
(Das exakte Datum ist nicht vorhanden.)
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