Predigten im Jahre 1952 - 11 - | Lugar/Ort:Gelsenkirchen-Buer-Hassel
Fecha/Datum: / / | Otros Lugares/Weitere Predigtorte:
| Año Eclesiástico/Kirchenjahr:1952 | Libro Bíblico/Buchbezeichnung:Hebräer 13, 1 - 3 | | |
Skopus: Brüderliche Liebe | | Predigten im Jahre 1952 - 11 - Hebräer 13, 1 - 3 "Bleibet fest in der brüderlichen Liebe. Gastfrei zu sein vergesset nicht; denn dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt. Gedenket der Gebundenen als die Mitgebundenen und derer, die Trübsal leiden, als die ihr auch noch im Leibe lebet."
"Bleibet fest in der brüderlichen Liebe!" Dieses Wort, daß der Gemeinde damals zugerufen wurde, hatte wahrlich schon seine große Berechtigung. Überall sah der Verfasser, daß in der Gemeinde durch die harte Bedrängung von außen und durch die Spannungen von innen, die brüderliche Liebe erkaltet war. Wir wissen es auch aus dem Sendschreiben an die Epheser, wie Johannes, der Seher, die so große Not jeder christlichen Gemeinde aufzeigte: "Ich habe wider dich, daß du die erste Liebe verlässest." Und diese Not ist auch überall in unseren Gemeinden vorhanden, vielleicht schlimmer als in der damaligen Zeit. Nur mit mancherlei Hemmungen denken wir alle an solch einen Opfertag der Inneren Mission wie den heutigen. Sorge und Angst schleichen sich in unser Herz, wenn wir daran denken, daß unsere brüderliche Liebe, zu der wir heute ja besonders aufgerufen sind, in solche großen Organisationen, Anstalten und Krankenhäuser fließen. Besteht da doch die ungeheure Gefahr, daß die, die unsere brüderliche Hilfe empfangen sollen nur noch FÄLLE oder PATIENTEN NR. X sind? Daß sich die Menschen außerhalb der Kirche oder auch der Staat, sich durch Versicherungen, Wohlfahrt-, Erziehungs- und Fürsorgeeinrichtungen sichern, ist nur zu verständlich, muß doch etwas da sein, daß das Auseinanderfallen des Morschen und Faulen zusammenhält. Aber muß dasselbe Gebaren auch innerhalb der Kirche Platz ergreifen? Wie viele Gemeinden gibt es bei uns in Deutschland, die finanziell nicht leben und nicht sterben können, die noch keinen geeigneten Raum zum Gottesdienst haben, die nicht wissen, wo sie ihre Jugend unterbringen können, damit sie Gottes Wort hören. Oder schauen wir einmal die Gemeinden hin und her an, die so groß sind, daß die Pfarrer nur noch da sind, um zu taufen, zu trauen und zu beerdigen, für andere Dienste reicht die Zeit nicht aus. Und wie nötig wäre es einmal, daß jedes einzelne Gemeindeglied besucht werden würde. Fast in jeder Familie sind Probleme vorhanden, die wieder in Ordnung gebracht werden müssen, aber sie werden nicht in Ordnung gebracht, weil die Kirche nicht den Weg zu diesen Menschen findet. Gilt es darum nicht, in erster Linie dafür zu sorgen, daß der Dienst der Verkündigung alle Menschen erreicht? In immer stärkerem Maße kommen die Stimmen aus den Anstalten der Inneren Mission an unser Ohr: Schickt uns junge Mädchen und junge Mánner, damit wir den Dienst der Liebe noch tun können und man sieht, wie wirklich und wahrhaftig die ganze Arbeit stetig dem Zusammenbruch entgegengeht. Und was gäbe es schöneres, als jetzt den Ruf nach Hilfe in aller Deutlichkeit diesen jungen Menschen zuzurufen. Aber als einer, der weiß, wie man heute jungen Menschen den Dienst in den veralterten Formen der Diakonissen- und anderen Anstalten einfach nicht mehr zumuten kann, ist man gehemmt, diesen Ruf überhaupt weiterzusagen. Noch vor kurzer Zeit sagte mir einer aus unserer Gemeinde, der in der Krankenpflege steht: Wenn ich das gewußt hätte, welch ein engstirniger Geist dort herrscht, hätte ich niemals die Krankenpflege erlernen wollen. Tatsächlich, eine Unmenge von Gründen berechtigter Art sind vorhanden, die uns in der brüderlichen Liebe erkalten lassen. Aber nicht nur wir haben Gründe vorzubringen, die uns von der brüderlichen Liebe abbringen wollen, sondern auch die verschiedensten Zweige der Inneren Mission. In welch einer schwierigen Lage stehen alle diese Anstalten. Tagtäglich werden ihre Aufgaben größer und umfangreicher. Hier ist eine Arbeit neu zu übernehmen, dort eine andere Arbeit weiter auszubauen. überall meint man, die Innere Mission, die Kirche, sei dazu da, um die unmöglichsten Arbeiten auszuführen. Und doch besteht dort vielleicht die einzigartige Möglichkeit, auf diese Weise an die Menschen heute heranzukommen, um ihnen das Evangelium zu verkündigen. Vielleicht ist das die einzigmögliche Gelegenheit in dem Leben dieser Menschen, die diesen Dienst in Anspruch nehmen, daß sie mit der Botschaft von Jesus Christus in Berührung kommen. Und dann müssen die, die in dieser verantwortlichen Arbeit stehen, mit einem unruhigen Gewissen die vielen Anforderungen ablehnen und zurückweisen. Ihr Schrei nach einem finanziellen Opfer, der Ruf nach jungen Menschen verhallt ungehört. Kann es dann da ausbleiben, da auch sie müde werden und von der brüderlichen Liebe nicht mehr bewegt werden? Aber wenn wir jetzt daran gehen würden, all die vielen Hemmnisse, von denen wir nur wenige aufgezeigt haben, zu beseitigen, dann würden wir wahrhaftig eine erschütternde Feststellung machen. Wir würden das eine Loch flicken und an einer anderen Stelle würde ein noch größeres Loch entstehen. Die eigentliche Not liegt nicht in den angegebenen Gründen. Vielleicht erst nach langsamem und vergeblichen Mühen müßten wir festellen, daß die Not so nicht behoben werden kann. Wo liegt dann nun aber die eigentliche Not, daß wir in der brüderlichen Liebe so gänzlich versagen? Laßt es mich mit wenigen Worten sagen: Mein und dein Leben als Christ ist tot, darum sind wir nicht mehr fähig, Zeit und Geld für den Bruder zu opfern. Das große Gebäude der Kirche ist brüchig und droht zusammenzubrechen, so geht sie auch an dem Bruder, der unter die Mörder gefallen ist, vorüber. Die Werke der Inneren Mission pfeifen aus dem letzten Loch, weil sie nicht mehr nach Jesus Christus fragen, sondern in alter Tradition machen. Wirklich, bei dieser Feststellung können wir schon bis ins Herz hinein erschüttert sein, und da kann man wirklich nicht mehr herumflicken. Da nützt in dieser Stunde es nicht mehr, daß wir dennoch zur Wertschätzung der Inneren Mission aufrufen oder zum Opfer dafür aufmuntern, sondern in dieser Stunde kann es nur darauf ankommen, daß der tote Lazarus von den Toten aufersteht. Es geht darum, daß aus den Ruinen der Werke der Inneren Mission, zerstört durch die Lauheit der Gemeinden und der Träger dieser Werke, also durch uns, ein neuer Bau entsteht, getragen durch die brüderliche Liebe. Aber wer ist es, der diesen Neubau errichten kann? Wer ist es, der den toten Lazarus wieder ins Leben zurückrufen wird? Darüber kann es doch keinen Zweifel geben. Wir sind es jedenfalls nicht. Es ist der, von dem Johannes verkündigt: "Das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, welches bei dem Vater war." In ihm ist das Wahrheit geworden, was der Prophet Jesaja bezeugt: "Es wird eine Rute aus dem abgehackten Stumpf des Baumes Isais ausgehen." Hier in diesem Jesus Christus ist wieder ein Neuanfang möglich. Er kann das, was uns unmöglich erscheint. Und nun ist die entscheidende Frage des heutigen Tages an alle, ob wir es wagen, in unserem Leben, im Leben der Kirche, im Leben der Werke der Inneren Mission, zu diesem Jesus Christus kommen. Wollen wir überhaupt zu diesem Jesus kommen? Vielleicht ist uns diese Frage ein wenig unangenehm, vielleicht hätten wir an diesem Tage lieber gehört, daß wir unsere Geldbörse weit auftun sollen, daß wir für diese Werke beten sollen. Das hätten wir auch durchaus tun können, mit ein wenig Anständigkeit, mit einer großzügigen Geste, mit ein klein wenig frommer Sitte und wir würden dann vielleicht in einiger Zeit mit einem gewissen Stolz gelesen haben, Hassel hat so und so viel für die Mission gegeben. Nun lautet die Frage an diesem Sonntag gar nicht: Wie viel willst du für die Innere Mission geben, sondern die Frage lautet: Willst du an diesem Tage zu Jesus kommen, damit er dich aus dem Tode auferweckt? Und er lädt uns ein, doch das Leben zu wählen. Er lädt uns ein, aus dem Tode uns auferwecken zu lassen. Jesus steht vor uns und ruft auch uns zu: "Talitha kum, das heißt: Mägdlein, ich sage dir, stehe auf!" Und wenn dann das große Wunder bei uns geschehen ist, dann zeigt sich dieses neue Leben darin, daß wir in der brüderlichen Liebe stehen, dann können wir nichts anderes tun, als dieses neue Leben in der brüderlichen Liebe zum Ausdruck zu bringen, dann wächst aus dem Ruinenfeld der Inneren Mission ein neuer Bau, in dem Jesus Christus selbst der Schluß- und Eckstein ist. Weil wir nun immer in der Gefahr stehen, diesen Neuanfang wieder einzureißen, darum unser Text, der uns Zuruft: "Bleibet fest in der brüderlichen Liebe!" An der brüderlichen Liebe zeigt es sich, ob wir uns von Jesus Christus ein neues Leben haben schenken lassen und ob wir nun auch das neue Leben Tag für Tag in Anspruch nehmen und bewähren. Jedenfalls werden wir, wenn wir in dieser engen Verbindung mit Jesus Christus stehen, aufgefordert, frisch und fröhlich auch das neue Leben zu leben. Wenn wir nun in unserem Text ermuntert werden, zu zeigen, wer wir sind; zu zeigen, daß wir in der brüderlichen Liebe stehen, dann kommt es nicht darauf an, Gefühle und Stimmungen von einer nicht klar zu erfassenden Liebe zu zeigen, sondern jetzt wirklich einmal etwas zu tun. Unser Text zeigt uns, was wir tun sollen: "Gastfrei zu sein, vergesset nicht!" Damit wird uns eine ganz ernst Frage vor die Füße gelegt, die uns an diesem Sonntag und auch in den folgenden Wochen und Monate nicht mehr loslassen soll. Gott hat uns durch das Geschehen der letzten Zeit eine solche Menge von Flüchtlingen beschert, daß wir eigentlich Gott nicht genug dankbar sein können. Wir meinen das im wahrsten Sinne des Wortes. So, wie sich das Kind am Geburtstage freut über das, was die Eltern ihm geschenkt haben, so dürfen wir uns freuen, daß Gott uns die Flüchtlinge beschert hat. Viele werden jetzt sicherlich den Kopf schütteln oder meinen, sie haben sich verhört. Nein, wir haben uns nicht verhört. Der Text meint es wirklich so. Gott hat uns die Flüchtlinge als ein großes Geschenk beschert. Denn jetzt haben wir endlich einmal die Gelegenheit, unsere Liebe zu Jesus Christus direkt und persönlich zur Tat werden zu lassen. Wir haben doch sicher lange genug auf eine solche Möglichkeit gewartet. Und das eine steht doch fest, nach solchen Menschen, die unserer Hilfe bedürfen, weil sie schon seit langer oder auch seit kurzer Zeit Haus und Hof haben verlassen müssen und nun heimatlos umherirren, brauchen wir nicht lange zu suchen und zu warten. Sie sind auch in Hassel in groser Zahl vorhanden. Diesen Menschen am Ort haben wir zuerst unsere brüderliche Liebe zu erweisen. Aber jetzt darf sich diese Liebe zu Jesus einmal in einer unaussprechlichen Weise verströmen und auch all der vielen Flüchtlinge gedenken, die durch die Werke der Inneren Mission und des Hilfswerkes betreut werden. Wir sind doch als Menschen alle auf der Suche und Jagd nach dem Glück. Wir alle möchten so gerne das große Los ziehen. Unser Text sagt uns, wie wir das große Los ziehen können, wie wir wirklich zu dem größten Glück, das es auf Erden gibt, kommen ,können. Und das einfach Unverständliche dabei ist, daß jedes Los ein Treffer ist und das Glück bringt. Wie kommen wir zu diesme todessicheren Treffer? Es ist eine einfache Angelegenheit: Indem wir den Flüchtlingen helfen, denn dann bekommen wir nicht nur einen Engel zu sehen, wie unser Wort sagt: "Dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt," sondern dann haben wir unseren Herrn Jesus Christus selbst aufgenommen. Wer einen Flüchtling aufnimmrt oder hilft, hat bereits den Herrn Jesus aufgeneommen und ihm geholfen. Und wer das hat erleben dürfen, der weiß, daß dieses das größte Glück auf Erden bedeutet. Aber nicht nur die Flüchtlinge sind uns vor die Füße gelegt, sondern auch alle die vielen Lazarusse, die vielen Menschen, die unter die Mörder gefallen sind; die Gefangenen, die Kranken und Trauernden. Hinter diesen Menschen, die nach Hilfe schreien, wartet Jesus Christus auch heute noch, ob er könnte bei einem von uns Einkehr halten, indem wir einem von diesen durch die Not gekennzeichneten Menschen unsere brüderliche Liebe erweisen. Dieser Jesus in der Gestalt des armen hilfsbedürftigen Bruders wartet darauf, daß er von einem jeden einzelnen von uns aufgenommen wird, darum heute der Tag der Inneren Mission. Er wartet darauf, daß sich endlich die Türen der Evangelischen Kirche weit auftun, damit er der Mittelpunkt sein kann. Er wartet darauf, daß die Werke der Inneren Mossion und des Hilfswerkes ihn an die Stelle setzen, da er hingehört und Anspruch darauf hat. Ob dieser Jesus Christus vergeblich wartet?
(Das exakte Datum ist nicht vorhanden.)
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