Predigten im Jahre 1952 - 04 - | Lugar/Ort:Gelsenkirchen-Buer-Hassel
Fecha/Datum: / / | Otros Lugares/Weitere Predigtorte:
| Año Eclesiástico/Kirchenjahr: | Libro Bíblico/Buchbezeichnung:Matthäus 9, 9 - 13 | | |
Skopus: | | Predigten im Jahre 1952 - 4 - Matthäus 9, 9 - 13 "Und da Jesus von dannen ging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm. Und es begab sich, da er zu Tische saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tische mit Jesu und seinen Jüngern. Da das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isset euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? Da das Jesus hörte, sprach er zu ihnen: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Gehet hin und lernet, was das sei: Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer. Ich bin gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen, und nicht die Gerechten."
"Ein Mann mit dem Namen Matthäus sitzt am Zoll." Die ganze Judenschaft wußte, das ist ein Dieb, der als Steuereinnehmer jedem Bürger den letzten Groschen aus der Tasche zog und dabei den größten Teil in seine eigene Tasche wandern ließ. Sein Reichtum zeigte an, daß er sein Geschäft wahrlich sehr gut verstand. Solch ein Steuereinnehmer, Zöllner genannt, galt als der Abschaum des Volkes. Man zeigte mit dem Finger auf ihn und wenn es darauf ankam, dem Volke und den Kindern zu zeigen, wer ein Sünder sei, dann wies man auf diese Gattung von Menschen. Er gehörte in die Kategorie der Mörder, Totschläger und Ehebrecher. Wer wollte da nicht einen großen gewaltigen Unterschied sehen zwischen ihm und den anderen Menschen der damaligen Zeit, die sich um die Erfüllung der Gebote aus allen Kräften bemühten. Wer wollte sich auch von uns auf eine Stufe stellen mit denen, die Tag für Tag sinnlos betrunken aus der Gosse geholt werden müssen? Oder wer wollte da zwischen einem Menschen, der seine Ehe nicht so genau nimmt und einem, der sich redlich bemüht, ein guter Ehegatte zu sein, keinen Unterschied machen? Es ist nicht dasselbe, ob einer schon etliche Jahre Gefängnis auf dem Buckel hat, oder ob ein anderer von der Polizei ein Führungszeugnis bekommt, in dem keine Strafen verzeichnet sind. Eine große Kluft besteht zwischen den Menschen, die offensichtlich große Sünder sind und denen, die es als Christen mit allen Dingen ernst meinen. Denn das ist doch klar, wer wollte sich solch einen stadtbekannten Sünder zum Vorbild nehmen oder wer wünschte , daß seine Kinder unter den Einfluß dieser Menschen käme. Aber könnte es nicht sein, daß jetzt in dieser Stunde der eine oder der andere von uns entdeckt: Ich bin ja dieser Zöllner; ich bin ja dieser Sünder! Vielleicht quält ihn schon seit langer Zeit eine Sünde, aus der er nicht heraus kann. Bis jetzt hatte er vielleicht dieses sein schändliches Tun mit einer frommen Fassade überbaut. Aber jetzt, da er wie Matthäus an dem Ort seiner Sünde von Jesus Christus eingeholt worden ist, fällt die Maske, fällt die fromme Fassade ab und es kommt ein Ekel über sein Leben auf ihn. So holt Jesus Christus uns alle, die wir immer wieder auf dem Wege der Sünde sind, ein und ruft uns etwas Kostbares zu. Diese Nachrift ist die köstlichste Nachricht, die wir je in unserem Leben gehört und vernommen haben. Diese Botschaft ist wertvoller und macht uns reicher als eine Millionenerbschaft. Er, Jesus Christus, läßt uns in unserer Sünde nicht los. Er hat uns entdeckt, vielleicht auf frischer Tat geschnappt. Und schaut uns traurig an. Aber dabei hält er uns seine Hand hin und möchte uns aus dem Sumpf unseres eigenen Lebens herausziehen. Hören wir recht gut zu, wir, die wir uns als Sünder entdeckt wissen: Wir brauchen nicht unterzugehen. Wir brauchen nicht die Sünde zu tun, nach der unser Herz sich immer wieder ausstreckt. Jesus reicht diesem Zöllner, dem er am Zoll, dem Ort seiner Sünde, begegnet ist, sein Rettungsseil und fordert ihn auf: "Folge mir nach!" Er fordert damit Matthäus auf, Buße zu tun, sich zu bekehren. Ja, es geht wirklich und wahrhaftig darum, daß wir im Angesichte Jesu Christi Buße tun. Aber was haben wir Christen doch aus dieser Buße nur gemacht. Wir meinen, Buße tun bedeutet, mit einem traurigen, mit einem langen Gesicht, herumzulaufen oder in Zerknirschung auf die Vergangenheit, auf unsere begangenen Sünden, zu starren und darüber zu zerbrechen. Davon aber finden wir hier in dieser Begegnung Jesu Christi mit dem Zöllner gar nichts. Hier kommt alles darauf an, daß nicht nach rückwärts geschaut wird. Es könnte ja auch nur zu leicht passieren, was der Maus passiert, die in die Augen der Schlange stiert, solange bis sie von der Schlange verschlungen wird. Es kann nur eines bei der Buße von Wichtigkeit sein, daß wir den Blick weg von der Sünde wenden und allein auf Jesus Christus schauen und mit ihm nach vorwärts gehen. Er, der Herr, weiß schon in dem Sumpf unseres Lebens besser Bescheid als wir selbst. Er kennt den Weg, den wir zu beschreiten haben um auf festes Land zu kommen. Er geht uns voran. Wir brauchen nur auf ihn zu blicken. Wagen doch auch wir heute den ersten Schritt, hinter Jesus Christus her. Können wir überhaupt diesen ersten Schritt tun? Aus unserer eigenen Kraft könnten wir es wahrhaftig nicht, er selbst aber reicht uns das feste Brett, auf dem wir mitten im Sumpf fest stehen dürfen. Indem Jesus Matthäus auffordert: "Folge mir nach!" hat er ihm auch damit schon das feste Brett gereicht, die Vergebung seines bisherigen sündhaften Lebens. Er, Matthäus, ist dem Verderben entronnen. Und auch wir dürfen heute dem Verderben entrinnen und auch von uns soll es ebenfalls heißen: "Er stand auf und folgte ihm nach!" So sehen wir, daß Buße keine traurige Angelegenheit ist, sondern eine fröhliche Sache, und zwar ein solch fröhliche Sache, daß Matthäus ein Freudenfest veranstaltet. Es ist doch ein merkwürdiges Ding, wie schnell es sich herumgesprochen hat, daß der Matthäus ein anderer geworden ist. Seine Freunde und Bekannte und seine Berufskollegen eilen herbei, um doch einmal festzustellen, was denn mit ihrem Matthäus geschehen sei. Sollte sein Gehirn etwa gelitten haben oder hat er das große Los gewonnen? Nach menschlicher Meinung kann doch nur eines von beiden der Fall sein, wenn einer von solcher Freude erfüllt ist. Wie mag Matthäus selbst über diesen Besuch gedacht haben? Vergessen wir nicht, daß sie alle, die gekommen waren, die die ehemaligen Saufkumpane und Mitbetrüger waren, die mit ihm alles ausgeheckt hatten. Bestand da nicht die große Gefahr, daß sie ihn wieder in sein alltägliches lasterhaftes Leben zurückziehen wollten? Wir sollten diese Gefahr durchaus nicht zu gering einschätzen. Aber diese Gefahr bestand bei Matthäus nicht, denn Jesus Christus selbst war auf diesem Feste mit den schlechten Menschen zugegen. Dadurch wurde die Anfechtung, die immerhin unter Menschen möglich ist, zu einer einzigartigen Gelegenheit, daß Jesus Christus auch die ehemaligen Mitgenossen zu sich rufen konnte. Jesus ist ja in diesem Kreise der Sünder und schlechten Menschen zu Hause. Um dieser Menschen willen ist er auf die Erde gekommen und den Leidensweg bis Zum Kreuz gegangen. Um ihretwillen hat Gott seinen Sohn von den Toten auferweckt. Aus diesem Kreise der Diebe, Ehebrecher, Mórder, Betrúger und Lügner sollte doch die Kirche Jesu Christi werden. Ob wir es uns gefallen lassen, daß über diese Kirche gesagt werden kann, daß sie eine Gemeinschaft von begnadeten Sündern und schlechten Menschen ist? Wem das zu hart klingen mag, wer meint, sich höher einschätzen zu können und zu müssen, der denke nur daran, was Jesus in der Bergpredigt unter TÖTEN versteht: "Wer zu seinem Bruder sagt: Du Narr, der ist schon ein Totschläger und des Gerichtes schuldig." Wer von uns könnte sagen, daß er unter dieses Urteil nicht fällt? Die Kirche Jesu Christi ist solch eine Gemeinschaft von Sündern, wie sie sich im Hause des Matthäus versammelt hat. Aber das ist das Entscheidende dabei, worauf es ankommt, daß der Herr der Mittelpunkt dieser Gemeinschaft ist: Der Herr Jesus Christus inmitten der Sünder macht diese Gemeinschaft zu einer heiligen Gemeinschaft, zu einer Kirche. Und in dieser Gemeinschaft herrscht Freude darüber, daß sich Jesus der Sünder angenommen hat. Wir werden wohl alle schon selbst empfunden haben, wie schwer es uns fällt, daß wir als Gemeinde eine Schar von ehemaligen Sündern und schlechten und noch immer fallenden Menschen sein sollen. Da können wir nur zu gut verstehen, daß da Menschen im Volk Israel sind, die sich gegen solch eine Zumutung auflehnen. Sie hatten eine andere Vorstellung von dem, was und wie das Volk Gottes sein sollte. Diese Pharisäer wollen wir aber ja nicht zu leichtfertig mit einer Handbewegung abtun. Hätten wir doch nur etwas von dem, was sie hatten. Wer von uns wäre bereit, den 10. Teil seines Vermögens und Einkommens Gott zu opfern? Stöhnen wir doch schon zum größten Teil alle über die Kirchensteuer, die nicht im entferntesten an diesen Prozentsatz heranreicht. Wer von uns wendet soviel Zeit für die Gebete zu Gott an, wie diese Pharisäer und Schriftgelehrten. Sieht nicht das Gebetsleben bei uns sehr, sehr schlecht aus. Wer könnte sich mit diesen Menschen vergleichen, wenn es darum geht, vor aller Welt und aller Öffentlichkeit sich zu Gott zu bekennen. Haben wir nicht alle schon Angst, in unserem Arbeitskreis uns zu Jesus Christus zu bekennen. Weichen wir einem Bekenntnis immer aus? In allen diesen Fragen, die von großer Bedeutung sind, könnten wir bei den Pharisäern in die Schule gehen und von ihnen lernen, was es um den Ernst des Glaubens ist. Sie nahmen den Kampf gegen die Sünde in schärfster Weise auf. Es waren Menschen, die wissen, was es um die Heiligung ihres Lebens im Angesichte Gottes war. Es ist wahrlich in dieser Hinsicht an ihnen nichts auszusetzen. Sie könnten an verschiedenen Stellen sogar unsere Vorbilder sein. Aber wie kommt es, daß sie dieses Handeln Jesu und dieses Beieinandersein mit den anderen nicht verstehen können? "Warum isset euer Meister mit den Zöllnern und Sündern?" In ihrem Streben nach Heiligkeit, nach Gerechtigkeit und nach Frömmigkeit haben sie eine falsche Scheidewand zwischen sich und den Sündern aufgerichtet. Sie leben nur noch ihrer eigenen Frömmigkeit. Und das ist das Schlimmste, was auch einem frommen Christen passieren könnte, daß er nur noch seiner eigenen Frömmigkeit lebt, daß er dauernd mit einem christlichen Getue beschäftigt ist. Dabei aber seine Aufgabe als Christ vergißt und liegen läßt Denken wir doch an den Priester und an den Leviten im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Diese beiden werden nicht verurteilt, weil sie im Tempel Gott dienten, sondern weil sie meinten, als Diener Gottes wären sie zu fromm und zu rein, um diesem Mann, der unter die Mörer gefallen war, zu retten. Sie könnten sich ja bei der Berührung verunreinigen. Wenn wir als Christen nicht mehr den Mitmenschen erkennen wollen, der in Not ist und unserer Hilfe bedarf, dann gilt auch uns als ein richtenden Wort, das Wort, das Jesus den Pharisäern zuruft: "Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer." Aus der erwähnten Haltung der Frommen der damaligen Zeit erwächst dann auch ihr Vorwurf gegen Jesus, daß er mit den Zöllnern und Sündern an einem Tisch sitzt. Wie kann denn nur ein frommer Mensch mit solchen Sündern an einem Tisch sitzen?, fragen sie sich. Sie, die Frommen, sind so mit ihrer Frömmigkeit beschäftigt, daß sie den Blick für den Nächsten nicht nur verloren haben, sondern jedem. der sich mit diesen Menschen abgab, seine Frömmigkeit absprachen. Wenn Jesus wirklich ein frommer Mensch gewesen wäre, dann hätte er sich doch nicht zu diesen Menschen setzen dürfen, denken sie. Mit dieser ihrer Haltung haben sich die eifrigen Juden gewissermaßen auf ein hohes Pferd gesetzt, von dem aus sie verächtlich auf die schauen, die unten im Staube liegen. Aber indem das geschieht, haben sie vergessen, wer sie selbst sind. Und wer sind sie denn? Sie sind die, die Gott aus der Gosse gehoben hat. Wir sahen ja am Anfang der Predigt, wer wir sind. Wer sind wir als Kirche Jesu Christi? Eine Gemeinschaft von begnadeten Sündern. Und von daher steht es uns nicht zu, auf die mit dem Finger zu zeigen, die noch nicht zu uns gehören. Daher steht es uns nicht zu, in eigener Selbstherrlichkeit stolz an diesen Menschen vorüberzugehen, sondern unsere Aufgabe ist es, uns um diese Menschen zu bemühen, damit auch sie zu unserer Schar gehören, daß auch sie, die gefallen sind, wieder aufgerichtet werden und mit uns gemeinsam durch das Leben gehen und Jesus Christus in der Mitte. Setzen auch wir uns auf ein hohes Pferd, dann geht Jesus Christus an uns vorbei und wir wären dann die verlorensten Menschen auf dieser Erde, und zwar mit unserer ganzen Frömmigkeit. So richtet unser heutige Text an alle Verzweifelten und an alle, die unter der Sünde ihres Lebens die köstliche Botschaft aus: "Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken!" Aber dieser Text sagt allen, die als fromme Menschen durch das Leben gehen: Seid nicht überheblich gegenüber den Menschen, die gestrauchelt und gefallen sind! Bedenkt, daß ihr durch ein schnelles leichfertiges Aburteilen euch auf ein hohes Pferd setzt und damit an Jesus Christus vorbeireitet, von Jesus Christus immer weiter weg. Gott schenke es uns, da wir jeden Tag neu zu unserem Herrn kommen und uns als Sünder erkennen und uns unsere Schuld von ihm vergeben lassen und damit offen werden für die Menschen, die unter den Nöten ihres Lebens seufzen, und ihnen helfen.
(Das exakte Datum nicht vorhanden.)
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