Kirchenjahr 1953/54 - 34 - | Lugar/Ort:Gelsenkirchen-Buer-Hassel
Fecha/Datum:18/11/1954 | Otros Lugares/Weitere Predigtorte:
| Año Eclesiástico/Kirchenjahr:Kriegsgefangenen-Gedenkgottesdienst | Libro Bíblico/Buchbezeichnung:Psalm 14, 7 | | |
Skopus: | | Kirchenjahr 1953/54 - 34 - Psalm 14, 7 "Ach daß die Hilfe aus Zion über Israel käme und der Herr sein gefangen Volk erlösete! So würde Jakob fröhlich sein und Isarel sich freuen."
Gerade in dieser Woche gedenken wir in besonderer Weise unserer Lieben, die noch in Kriegsgefangenschaft, vermißt oder verschleppt worden sind. Das tut in der Tat auch not. Wie haben unsere Kriegsgefangenen dieses Gedenken nötig, leben sie doch davon, daß wir sie mit unseren Gebeten umgeben. Darum dürfte es nicht sein, daß wir uns nur eine Woche im Jahr uns der Frage der Kriegsgefangenen und Vermißten stellen, sondern die Frage nach den Menschen hinter dem Stacheldraht dürfte uns Tag für Tag nicht loslassen. Sie müßte uns begleiten an den gedeckten Tisch und zur Arbeitsstelle, in den Urlaub und auf dem Weg zum Gottesdienst. Wir sollten nie und nimmer vergessen, daß im letzten Grunde alle diese Menschen für uns stellvertretend leiden, was wir auch verschuldet haben und was auch wir hätten erdulden müssen. Sie alle stehen an einer Stelle, an der wir unter Umständen heute ebenfalls stehen könnten. Unsere Freiheit und unsere Ruhe und unser Auskommen dürfen wir einfach nicht als eine Selbstverständlichkeit annehmen, sondern als ein unverdientes Geschenk unseres Gottes. Als solch unverdient Beschenkte haben wir von Gott nun diese unausweichliche Frage vor die Füße gelegt bekommen: "Wo ist dein Bruder Kriegsgefangener?" Dieser Frage, haben wir uns, die es uns soviel besser geht, zu stellen. Diese Frage gilt uns allen, dem ganzen Volke. Keiner ist davon ausgenommen, wenn allerdings natürlicherweise besonders die Angehörigen unserer Kriegsgefangenen von dieser Frage nach ihren Lieben getroffen sind. Aber es bleibt bestehen, daß unser ganzes Volk nicht mehr zur Ruhe kommen, und nicht mehr sich von Herzen freuen dürfte, bevor nicht auch der letzte Kriegsgefangene und Verschleppte heimgekehrt und das Schicksal der letzten Vermißten aufgeklärt worden ist. Wir haben schon am Dienstag im Kriegsgefangenen-Gedenkgottesdienst feststellen müssen, daß weiterhin diese Aufgabe von der Öffentlichkeit und von den Parteien und auch von den einzelnen so recht nicht wahrgenommen wird. Die Kriegsgefangenenfrage, die uns eigentlich eine Lebensfrage sein müßte, ist in den Hintergrund gerückt, viel wichtiger sind jetzt geworden die anderen politischen Ereignisse, die Pariser Verträge etwa, oder der Staatsbesuch des Kaiser von Äthiopien und dergleichen Dinge mehr. Wir aber als chrtistliche Gemeinde dürfen uns an diesem Vergessen und in den Hintergrundstellen unserer Brüder und Schwestern hinter dem Stacheldraht und Gefängnismauern auf keinen Fall mitbeteiligen, sondern unsere Aufgabe ist, uns ihrer anzunehmen. Was können wir für dieses Ärmsten tun? Wir können für sie durch unser Opfer das tun, daß sie je und dann aus der Heimat vom Hilfswerk einen Gruß bekommen, der sie erinnert, daß wir sie noch nicht vergessen und abgeschrieben haben. Wir als Christen können für sie das tun, daß wir die Öffentlichkeit bei uns nicht mehr in Ruhe lassen, damit auch sie diese Frage ernsthafter aufgreift und alle Wege versucht, die Ärmsten der Armen wieder heimzubringen. Allerdings haben wir dabei das Wichtigste, das Allerwichtigste, vergessen, nämlich das, was uns unser Text sagt: "Ach daß die Hilfe aus Zion über Israel käme und der Herr sein gefangenes Volk erlösete! So würde Jakob fröhlich sein und Israel sich freuen." Der Psalmsänger, der dieses Wort gesagt hat, weist uns an die letzte Instanz, an die Instanz, die auch dann noch helfen kann, wenn alle anderen Wege versperrt sind und wenn auch die eigene Regierung und der Westen und der Osten nur die Achseln zucken. An diese Instanz laßt uns wenden. Und wir haben recht getan, heute hierher zu diesem Gottesdienst zu kommen, denn hier kommen wir mit dieser letzten Instanz in Kontakt, mit dem lebendigen Herrn Himmels und der Erden. Der, von dem wir wissen, daß er alle Geschicke dieser Welt in seiner Hand hält, hat auch die letzte Entscheidung über das, was uns so quält, wenn wir an unsere Lieben in der Ferne denken. Als Christen wissen wir, daß Gott das Leben eines jeden einzelnen in der Hand hat, also auch das Leben unserer Schwestern und Brüder in der Ferne. Darum sind unsere Zusammenkünfte mit dem Gedanken an unsere Lieben keine Protestkundgebungen mit Resolutionen und Entschließungen, sondern Gebets- und Bittgottesdienste. Wir sind ja heute hier zusammengekommen, um für die vielen, besonders auch für die aus unserer Gemeinde vor Gott hinzutreten und ihn anzuflehen und ihn um Hilfe zu bitten. Damit tun wir etwas, was wir einen priesterlichen Dienst nennen. Zu diesem priesterlichen Dienst für unsere Kriegsgefangenen wollen wir uns gegenseitig Tag für Tag viel Mut machen. In rechter priesterlicher Weise vor Gott für andere hinzutreten, setzt voraus, daß wir an den Herrn, an den wir uns mit der Bitte um Hilfe wenden, selbst glauben, daß wir selbst ihn als unseren Herrn und Meister anerkennen. Darum ist das eine wichtige Frage für uns, die wir für die Kriegsgefangenen beten wollen, ob denn Gott auch überhaupt unser Herr ist. Können wir schon glauben, daß Jesus Christus unser Herr und Heiland ist? Wenn er es noch nicht ist, so kann uns heute ein großer Tag werden, an dem wir vor ihm niederfallen und ihn bitten: "Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben!" In rechter priesterlicher Weise vor Gott für andere eintreten, setzt weiter voraus, daß wir etwas von Gottes Liebe zu allen Menschen wissen, von seiner Hilfsbereitschaft, die niemanden losläßt und niemanden versinken läßt. Das ist ja die ganz frohe priesterliche Gewißheit, die unseren Psalmisten erfüllt, wenn er ausruft: "Ach, ich weiß einen, der jetzt helfen kann. Es ist der Herr auf dem Berge Zion, der Gott Zebaoth." Wenn er eingreift, dann hat alle Not ein Ende. Glauben wir es, daß Gott auch in unserem Anliegen helfen kann? Daß er helfen kann, wenn alle Menschen und alle Gewalten dagegen sind? Allerdings gehört zu diesem Wissen auch, daß er, der Herr, auch seine gnädigen Hände über unsere Lieben in der Ferne hält, wenn er sie noch nicht nach Hause führt, wenn sie längst nicht mehr unter den Lebenden weilen. Zum priesterlichen Dienst gehört die frohe Gewißheit, daß Gott im Regimente sitzt und alles zum besten führt, auch wenn es einmal danach aussehen mag, als ob er mit seiner Hilfe vorübergegangen ist. Wir haben in der festen Zuversicht unsere Hand zum Vater im Himmel gestreckt, daß er auch schon bisher nur das Beste für unsere Lieben vorhatte. In dieser Gläubigkeit an die Hilfe unseres Herrn laßt uns mit dem Psalmisten eben um diese Hilfe bitten.
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