Kirchenjahr 1953/54 - 30 - | Lugar/Ort:Gelsenkirchen-Buer-Hassel
Fecha/Datum:10/10/1954 | Otros Lugares/Weitere Predigtorte:
| Año Eclesiástico/Kirchenjahr:17. Sonntag nach Trinitatis 1954 -Ordination- | Libro Bíblico/Buchbezeichnung:Apostelgeschichte 4, 32 - 35 | | |
Skopus: Gemeinde-ein Herz und eine Seele | | Kirchenjahr 1953/54 - 30 - Apostelgeschichte 4, 32 - 35 - Ordinationspredigt "Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele; auch keiner sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemein. Und mit großer Kraft gaben die Apostel Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesu, und war große Gnade bei ihnen allen. Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wie viel ihrer waren, die da Äcker oder Häuser hatten, die verkauften sie und brachten das Geld des verkauften Guts und legten es zu der Apostel Füßen; und man gab einem jeglichen, was ihm not war."
"Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele." Dieser Satz der Apostelgeschichte, der das Leben der Urgemeinde zu Jerusalem kennzeichnet, hat in der Geschichte unserer Evangelischen Kirche viel heillose Unruhe, aber auch ein neues gesegnetes Fragen nach der Echtheit der christlichen Gemeinde inmitten dieser Welt gebracht. Denn das müßte doch wohl klar sein, daß mit den Worten "Die Menge aber der Gläubigen," nicht irgendeine selbstgeformte Vereinigung frommer und gläubiger Seelen ist, auch nicht eine Vereinigung, in der sich Menschen mit religiösen, vielleicht sehr tief reliogiösen Interessen treffen. Wenn das so wäre, wie könnte sich solch eine Gruppe, mag sie noch so christliche Namen tragen, unterscheiden von den vielen Gruppen ringsum im Land, vom Fußballverein und Kegelklub angefangen bis hin zum Kaninchenzüchter- oder Großmütterverein und NachbarschaftsKaffekränzchen. Wir haben beileibe nichts gegen eine solche Vereinigung, zumal wir Deutsche am liebsten einen eigenen Verein bilden würden, in dem wir Vorsitzender, Kassierer, Organisator und einfaches Mitglied in einer Person wäre. Nein, mit den Worten "Die Menge aber der Gläubigen, wird etwas grundsätzlich anderes gemeint als eine Interessengemeinschaft oder Verein. Es wird damit die Gemeinde Jesu Christi gemeint, die wir Menschen, auch wir Christen, nicht bilden oder gründen können, sondern zu der wir immer nur hinzugetan werden können, wie es beim Pfingstwunder heißt: "Und es wurden hinzugetan an dem Tage bei 3.ooo Menschen". Von dieser Gemeinde Jesu Christi dort in Jerusalem wird uns durch unseren Text bezeugt, daß sie "ein Herz und eine Seele" gewesen war. Unwillkürlich legt sich dann sofort die Frage auf uns, gerade auch auf uns hier in Hassel: Sind wir in den vergangenen Jahren als Gemeinde Jesu Christi "ein Herz und eine Seele" gewesen? Ach, wieviel Not bricht doch da unter uns auf. Und wir alle müßten uns gegenüber dieser Gemeinde zu Jerusalem in Grund und Boden schämen, nein, gegenüber dem Herrn der Kirche Jesu Christi. Und gerade für uns als die so angefochtene Gemeinde kommt alles darauf an, daß es von heißen darf: "Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele". Aber dieses kann man nicht machen, so wie man etwa einem Haufen Menschen eine einheitliche Uniform geben kann und schon wird dann von einer Soldateneinheit gesprochen. Wenn einem schon übor diesem angeführten Einheitsbeispiel ein Grauen und ein Ekel ankommt, wieviel gefährlicher wird es für die Gemeinde, wenn von menschlicher Seite versucht wird, diese Einheit, von der in unserem Text die Rede ist, selbst machen zu wollen. Nur solange zum Beispiel die Bemühungen der Weltkirchenkonferenz dahingehen, die Einheit geschenkt zu erhalten, solange steht dieses Bemühen in der Tat unter einer großen Verheißung. Aber im allgemeinen steckt bei uns allen das Bestreben, durch unser eigenes Tun zu erreichen, was von einer Gemeinde gesagt werden kann: "ein Herz und eine Seele" zu sein. Da versucht der Pfarrer die Gemeinde nach einem Einheitsbilde zu formen, das er sich selbst in seinem Kopf zurecht gemacht hat und wehe, wer sich seinem Einheitsstreben entgegensetzt. Oder da versucht ein Gemeindeglied oder Presbyter, sein erträumtes Einheitsbild zu verwirklichen und wird gerade dadurch zu einem Hemmnis oder sogar zu einem Zerstörer der echten Einheit. Gerade das vergangene Jahrhundert war in besonderer Weise der Versuch, auf menschliche Art zu erreichen, was in Jerusalem ein Geschenk war, "ein Herz und eine Seele" zu sein. Und das Ergebnis war eine Zersplitterung und eine Absonderung nach der anderen, Sekten ohne Zahl. Vielleicht kann man die vielen Jahrhundertfeiern in dieser Zeit auch einmal von solch einer Warte aus ansehen. Jeder meinte zu wissen, wie ein Christ aussehen und leben muß, damit er die Einheit verwirkliche. Wer solch einer Idealgestalt eines Christen nicht entsprach, dem wurde sein Christsein abgesprochen oder es wurde ein neues christliches Grüppchen gebildet. Dieses vergangene Jahrhundert ist noch nicht abgetan, sondern ragt noch bis in das heutige Leben unserer Gemeinden hinein und fordert die Erfüllung bestimmter Glaubens- und christlicher Lebensregeln. Manch eine Gemeinde ist schon über solch einen Einheitsversuch in die Brüche gegangen. Oft sogar ist gerade unsere Bibelstelle von dem "einen Herzen und der einen Seele" zum Aushängeschild dieses menschlichen Tuns geworden. Auf den ersten Blick könnten wir es vielleicht auch annehmen, da doch die beiden Worte HERZ und SEELE uns direkt dazu verleiten, an die Christen heranzutreten: Schaffe du es selbst, schafft ihr es selbst als Gemeinde! Aber der Schreiber der Apostelgeschichte gebraucht die Worte Herz und Seele in der Weise, daß er bezeugt, daß da die Einheit der Gemeinde geschenkt worden ist, das da wirklich von einer Gemeinde als von einem Herzen und von einer Seele gesprochen werden kann, wo diese Gemeinde einen Mittelpunkt hat, der ihr das Gepräge gibt und wo diese Gemeinde den bestimmten Grundstein besitzt, auf dem sie erbaut ist. In diesem Mittelpunkt und auf diesem Grundstein ruht die Einheit der Kirche. Jetzt kann es für uns doch keine Frage mehr sein, worin die Einheit der Kirche, die Einheit einer Ortsgemeinde, die Einheit der Kirchen in der weiten Welt liegt, in Jesus Christus, dem auferstandenen Herrn, Herrscher Himmels und der Erden. Wo Jesus Christus Mittelpunkt und Grundstein einer Gemeinde ist, da kann auch heute noch von einer Gemeinde gesagt werden: "Die Menge aber der Gläubiugen war ein Herz und eine Seele." Wenn dieser lebendige Herr Jesus Christus auch heute hier in diesem Gottesdienst Mittelpunkt und Grund ist, dann kann auch heute wieder von der Schar gesprochen werden, die eins ist ist in ihrem Herrn. Es wäre doch zu furchtbar, wenn das nicht der Fall wäre und wir alle miteinander nur Theater gespielt hätten, Spieler und Zuschauer zugleich. Darum laßt uns jeden Tag aufs neue bitten, daß Jesus Christus, der Herr der Kirche, nicht von uns gehe und wir allein herumwurschteln müssen und ausgeben, daß wir eine wahre Gemeinde seien und doch nur ein erbärmlicher Haufe sind. Und glauben wir es ruhig, dieser Mittelpunkt und Grundstein der Kirche, dieser lebende unter uns weilende Herr Jesus Christus ist nicht stumm und nickt zu allem, was wir als Gemeinde tun und denken seinen Kopf. Jesus Christus meldet sich zu Wort und bittet um Gehör, o, daß wir doch alle ihm das Gehör schenken, daß wir alle auf seine Stimme hören, auch im grauen Alltag unseres Lebens; o, daß wir noch freudiger alle miteinander am Sonntagmorgen zum Gotteshaus eilen und unter der Kanzel auf das lauschen, was er uns zu sagen hat, das Wort der Vergebung und der Ruf zum Dienst, zum Gehorsam. Wir versäumen sehr viel, wenn wir nicht auf sein Wort achten; ja, wir versäumen sogar alles, unser Heil, wenn wir unsere Ohren ihm gegenüber verstopfen, Das wird uns jedenfalls von der Gemeinde zu Jerusalem berichtet, daß der Herr der Kirche zu Worte kommt und gehört wird.: "Und mit großer Kraft gaben die Apostel Zeugnis von der Auferstehung Jesu Christi." Es tut uns bestimmt sicher sehr gut, einmal dieses so scharf betont zu hören, denn nicht umsonst heißt es von der abendländischen Kirche, daß das Kreuz auf Golgatha ihr Mittelpunkt sei. Und wenn wir uns einmal all die vielen erwecklichen Lieder ansehen, da steht das Kreuz Christi in der Tat in der Mitte. Wenn hier nun die Betonung auf die AUFERSTEHUNG liegt, so soll damit kein Gegensatz zwischen Kreuz und Auferstehung aufgezeigt werden. Aber es tut doch gut, unseren Blick von Karfreitag wegzulenken auf Ostern, vom Kreuz zur Auferstehung, vom Schmerz über unseren Ungehorsam gegenüber Gott hin zur Freude, daß der lebendige Herr uns zugerufen hat und noch zurufen will: "Dir sind deine Sünden vergeben!" Statt daß wir als Christen fröhlich durch diese Welt ziehen, gehen wir mit einem gekrümmten Rücken umher, traurig in Sack und Asche. Vergessen wir doch auf keinen Fall, daß Jesus Christus, der Gekreuzigte, nicht mehr im Grabe liegt, sondern auferstand und uns das Leben brachte und in unser Dunkel des Alltags das helle Licht hineinstrahlen läßt. Lernen wir doch ein wenig von den Kirchen des Ostens diese große Freude: "Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!" Mit ihm dürfen auch wir leben. Sieht die Umwelt es uns an, dir und mir, daß unser Herr der lebendige Herr ist, der dem Tod , Teufel und der Sünde die Macht genommen hat? Lassen wir es uns ruhig von dem Spötter Nietzsche gesagt sein: "Wenn wir Ungläubigen an Jesus Christus glauben sollen, dann müssen die Christen erlöster aussehen." Und wir Christen dürften in Wahrheit ein wenig erlöster und fröhlicher durch dieses Leben gehen, wenn wir daran denken, wie reich wir durch Jesus Christus geworden sind. Wir sagten, daß Jesus Chrisus in der Gemeinde zu Jerusalem zu Worte kommt und auch gehört wird. Wie bezeugt sich das Hören? Indem wir hingehen und das Wort des Herrn tun: "Und keiner sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären. Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte, denn wieviele ihrer waren, die da Äcker oder Häuser hatten, verkauften sie und brachten das Geld zu der Apostel Füßen und man gab einem jeden, was im not war." Auf keinen Fall kann hier aus dieser Stelle ein allgemeiner Liebeskommunismus abgeleitet werden oder etwa die Meinung, jeglicher Besitz sei Sünde. Petrus sagt ja zu dem Lügner Ananias: "Hättest du doch ruhig deinen Acker behalten mögen, er stand doch in deiner Hand." Aber doch muß ein anderes deutlich werden, daß es nämlich unmöglich ist, Gottes Wort zu hören und womöglich zu sagen: War das doch eine erbauliche Rede, sie war so richtig erhebend, aber den Auftrag, den Jesus Christus gegeben hat, zu überhören oder abzulehnen und zu sagen: Ach, damit habe ich nichts zu tun, damit können sich ruhig andere abgeben. Nein, wo Gott uns seine Liebe erweist, da öffnet er uns auch den Blick für die Lieblosigkeit unserer Umgebung und bittet uns, von dieser Liebe, die Gott uns erwiesen hat, etwas weiterzugeben: Freude durch unseren Besuch in eine Krankenstube zu bringen. Wenn Gott uns seinen Reichtum und seine Gaben geschenkt hat, da bittet er uns, von diesem unserem Reichtum dem etwas zu geben, der auf die Hilfe Gottes angewiesen ist, wie wir. So zeigt uns der Text, daß es beim Hören auch gleichzeitig immer um ein Tun, um ein Gehorchendürfen geht. Es sähe in dem Leben unserer Familien, im Leben unserer Gemeinde und im Leben unseres Volkes entschieden anders aus, wenn statt der vielen frommern und christlichen Wörter im Munde die Befehle Gottes durch uns ausgeführt würden. Wenn allein wir hier im Gottesdienst heute gehört haben, daß wir zum Tun aufgefordert sind, zum Gehorsam und nun hingehen werden, um Jesus Christus in seinem Worte zu gehorchen, welch eine Veränderung der ganzen Welt um uns her würde zum Heil dieser Welt entstehen. Gehe nun hin und sei gehorsam.
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