Kirchenjahr 1953/54 - 10 - | Lugar/Ort:Gelsenkirchen-Buer-Hassel
Fecha/Datum:24/01/1954 | Otros Lugares/Weitere Predigtorte:
| Año Eclesiástico/Kirchenjahr:3. Sonntag nach Epiphanias 1954 | Libro Bíblico/Buchbezeichnung:2. Könige 5, 1 - 19a | | |
Skopus: Elisa heilt den aussätzigen Naeman | | Kirchenjahr 1953/54 -10- 2. Könige 5, 1 - 19a "Naeman, der Feldhauptmann des Königs von Syrien, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn und hoch gehalten; denn durch ihn gab der Herr Heil in Syrien. Und er war ein gewaltiger Mann und aussätzig. Die Kriegsleute aber in Syrien waren herausgefallen und hatten eine junge Dirne weggeführt aus dem Lande Israel; die war im Dienste des Weibes Naemans. Die sprach zu ihrer Frau: Ach, daß mein Herr wäre bei dem Propheten zu Samaria!, der würde ihn von seinem Aussatz losmachen. Da ging er hinein zu seinem Herrn und sagte es ihm an und sprach: So und so hat die Dirne aus dem Lande Israel geredet. Der König von Syrien sprach: So zieh hin, ich will dem König Israels einen Brief schreiben. Und er zog hin und nahm mit sich zehn Zentner Silber und sechstausend Goldgulden und zehn Feierkleider und brachte den Brief dem König Israels, der lautete also: Wenn dieser Brief zu dir kommt, siehe, so wisse, ich habe meinen Knecht Naeman zu dir gesandt, daß du ihn von seinem Aussatz losmachest. Und da der König Israels den Brief las, zerriß er seine Kleider und sprach: Bin ich denn Gott, daß ich töten und lebendig machen könnte, daß er zu mir schickt, daß ich den Mann von seinem Aussatz losmache? Merket und sehet, wie sucht er Ursache wider mich? Da das Elisa, der Mann Gottes, hörte, daß der König Isarels seine Kleider zerrissen hatte, sandte er zu ihm und ließ ihm sagen: Warum hast du deine Kleider zerrissen? Laß ihn zu mir kommen, daß er inne werde, daß ein Prophet in Israel ist. Also kam Naeman mit Rossen und Wagen und hielt vor der Tür am Hause Elisas. Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Gehe hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder erstattet und rein werden. Da erzürnte Naeman und zog weg und sprach: Ich meinte, er sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des Herrn, seines Gottes, anrufen und mit seiner Hand über die Stätte fahren und den Aussatz also abtun. Sind nicht die Wasser Amana und Pharphar zu Damaskus besser denn alle Wasser in Israel, daß ich mich darin wüsche und rein würde? Und wandte sich und zog weg mit Zorn. Da machten sich seine Knechte zu ihm, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dich der Prophet etwas Großes hätte geheißen, solltest du es nicht tun? Wie viel mehr, so er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein! Da stieg er ab und taufte sich im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geredet hatte; und sein Fleisch ward wieder erstattet wie das Fleisch eines jungen Knaben und er ward rein. Und er kehrte wieder zu dem Mann Gottes samt seinem ganzen Heer. Und da er hineinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, ich weiß, daß kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel; so nimm nun den Segen von deinem Knecht. Er aber sprach: So wahr der Herr lebt, vor dem ich stehe, ich nehme es nicht. Und er nötigte ihn, daß er's nähme; aber er wollte nicht. Da sprach Naeman: Möchte denn deinem Knecht nicht gegeben werden dieser Erde eine Last, soviel zwei Maultiere tragen? Denn dein Knecht will nicht mehr andern Göttern opfern und Brandopfer tun, sondern dem Herrn. Nur darin wolle der Herr deinem Knechte gnädig sein: wo ich anbete im Hause Rimmons, wenn mein Herr ins Haus Rimmons geht, daselbst anzubeten, und er sich an meine Hand lehnt. Er sprach zu ihm: ZIEH HIN MIT FRIEDEN!"
Ein armer Mann, dieser heidnische General Naeman. Was spielt schon sein Ruhm, seine Ehre und seine Macht, die ihm der König von Syrien verliehen hatte, für eine Rolle. Sie nützen nichts mehr. Er geht einer grauenvollen Zukunft entgegen, einer Zukunft, in der er bei lebendigem Leibe verfault. Wir wissen es, was der Aussatz für eine entsetzliche und gräßliche Krankheit ist. Wer den Aussatz hat, der kann aussprechen: Leben ade! Es ist aus mit mir! In dieser Aussichts- und Hoffnungslosigkeit wird uns Naeman geradezu ein Bild für uns selbst. Wohl ist der Aussatz bei uns in Deutschland in der letzten Zeit nicht mehr aufgetreten, aber erinnert uns diese abscheuliche Krankheit im letzten Grunde nicht daran, daß wir alle, auch ohne den Aussatz, Menschen sind, die vom Tode gekennzeichnet wurden? Wer von uns vermag zu sagen, ob wir morgen noch unter den Lebenden weilen? Naeman erinnert uns so, wir unsere 100 %-igen Steinstaublungenkranke daran, daß wir alle miteinander Todeskandidaten sind. Alle Versuche, die dunklen Todesschatten von uns wegzunehmen, sind nicht mehr als selbstgemachte Trugbilder. Wir meinen es so machen zu können wie der Vogel Strauß, der, wenn er eine Gefahr wittert, einfach den Kopf in den Sand steckt, in der Annahme, daß, wenn er die Gefahr nicht sieht, dann kann sie ihm auch nichts antun. Aber es hilft uns das alles nicht, auch wenn wir die Augen davor verschließen, wir sind solche, die dem Tode entgegengehen, und zwar dem Tode, den wir durch unseren Ungehorsam Gott gegenüber selbst verschuldet haben. Was sich als Hilfe anbietet, ist nicht mehr als ein Strohhalm, an den wir uns sogar gern klammern mögen. Aber nun sind wir ja hier im Gottesdienst nicht zusammengekommen, damit wir uns gegenseitig zurufen sollen: Es ist aus; unser Leben hat keinen Zweck mehr! Nein, Gott, der Herr, will in die Dunkelheit des so aussichtslosen Lebens des Naemans, deines und meines Lebens, mit seinem hellen Licht hineinstrahlen und alle Sorgen und Schatten und Ängste unseres Lebens hinwegscheuchen. In unserem Text ist es das Besondere, daß das einem Manne gesagt wird, der nicht zum Volke Gottes, zum Volke Israel, gehört, sondern ein Heide ist. Wie herrlich, daß das Heil nicht von einigen wenigen Frommen gepachtet werden kann, sondern daß es allen Menschen gilt, den Kindern Israels wie den Heiden, den frommen Christen, wie den Neuheiden unserer Zeit und wie den Verkommenen und Gestrauchelten und den Verbrechern. So strahlt dieses helle Licht in das Leben des aussätzigen Naemans hinein. Aber es kommt zu ihm nicht in der Gestalt eines helleuchtenden Blitzes oder eines am Himmel entlangziehenden Komets, sondern in einer Gestalt, wie wir Menschen auch sonst uns Trost zupsrechen, menschlichen Trost und menschliche Anteilnahme. Es sieht nicht anders aus als ein sonstiger Strohhalm, nach dem vielleicht ein Ertrinkender greift. Wer wollte in dem Seufzer der israelischen Sklavin des Maeman das Heil erkennen, die ausspricht: "Ach, daß mein Herr wäre bei dem Propheten zu Samaria! Der würde ihn von seinem Aussatz losmachen!" Es könnte das auf der selben Ebene liegen, wie unser aller Seufzen: Ach, hätte ich doch...! Ach wäre ich doch ein reicher Mann... Ach, könnte ich doch mein Leben noch einmal von vorne anfangen! Dieser Seufzer der Sklavin ist rein äußerlich von den anderen Klagen und Schreien nach dem, was man nicht hat oder was einem fehlt, in keinster Weise zu unterscheiden. Und wenn Naeman sofort darauf eingeht, sich Urlaub erbittet und mit einer reichen Belohnung ausgestattet, sich auf den Weg macht, dann tut er das in derselben Weise wie heutzutage die Menschen zu den hier und da auftauchenden Wunderdoktoren pilgern. Jetzt hat man sich schon so viel Mühe gegeben, ist bei soundsovielen Ärzten gewesen, hat schon so viel Geld ausgegeben, da will man nun vielleicht zum aller-allerletzten Mal es auch mit diesem Mann. mit jenem Heilmittel, mit dieser Kartenlegerin, mit diesem Horoskop eines Astrologen versuchen. Im letzten Grunde weiß man schon, daß das alles nicht hilft, aber immerhin, es könnte ja vielleicht einmal sein. So zieht Naeman nach Israel zu dem vermeintlichen Wunderdoktor, reichlich verpackt mit Geschenken. Er möchte sich seine Gesundheit schon etwas kosten lassen. Da er mit diesem Aufbruch in das heilige Land das Heil für Körper und Geist wirklich erlangen wird, ist ihm noch verborgen. Sein Aufbruch steht unter dem Vorzeichen, man könnte auch das einmal versuchen. Er wäre genauso gern zu irgendeinem anderen Zauberpriester gezogen, um sein Leiden loszuwerden. Und doch ist es Wirklichkeit, der Seufzer der Sklavin war der Wegweiser zur Rettung, sein Aufbruch bedeutete: Heil. Ebenfalls die Gestalt des Elisa war kein Beweis, daß er die Rettung, das Heil des Naeman in seiner Hand hielt. Er war ein Prophet unter vielen Propheten, ein Prophet unter vielen falschen Propheten. Die wirklichen Diener Gottes kann man nicht äußerlich von anderen Menschen unterscheiden. Sie sind keine Menschen höherer Art, wie es die Priester der katholischen Kirchen zum Beispiel sein wollen. Diener Gottes fallen und straucheln wie alle anderen auch immer wieder. Ist es nicht so, daß wir in den evangelischen Kirchen zum größten Teil auch der katholischen Ansicht verfallen sind, als ob der Verkündiger, der Seelsorger, ein Mensch besonderer Gattung sei, der eine besonders reine Weste haben müßte? Was erlauben wir uns nicht alles als evangelische Gemeindeglieder und meinen dabei, das mit unserem Glauben vereinbaren zu können, aber wehe, wenn sich der Seelsorger das erlauben würde. Es gibt keine doppelte Moral, eine für das Gemeindeglied und die andere für den besonderen Diener Gottes. Was wir von einem Diener Gottes erwarten, müssen wir zu jeder Zeit auch von uns erwarten. Nein, die Boten und Diener Gottes sind keine Halbgötter, sondern sie sind auch nur fehlende, schuldig werdende Menschen, die der Vergebung bedürfen wie alle anderen auch. Es stand nicht auf der Stirn des Elisa geschriebenL Ich bin ein Diener des Herrn. Und als Naeman vor seiner Tür halt macht, konnte man es nicht von weitem sehen, daß da der Mann Gottes wohnte. Und doch, als Naeman an der Tür des Hauses klopfte, da war es dennoch zur Tatsache geworden, daß Gott ihn hierher geführt hatte, um dem kranken Naeman zu helfen, um hier an der Haustür, mitten im Alltag des damaligen Lebens des Naeman, vom heilenden Lichtstrahl Gottes angestrahlt und erleuchtet zu werden. Merkwürdig, trotzdem in der ganzen Geschichte die Gewißheit hindurchleuchtet, spüren wir noch nichts davon. Naeman steht vor seinem Heil. Er steht vor seiner Errettung. Er steht vor seiner Gesundung. Aber da kommt aus der Tür kein Mann heraus, in würdiger Prophetentracht, der mild und gütig sein Haupt bewegt, der fromme Worte murmelt und sich ehrerbietig vor dem hohen General verbeugt. Welch eine Antwort! Dieser hohe geistliche Herr kommt noch nicht einmal selbst an die Tür. Er schickt da irgendeinen Hausdiener und dann dieser lächerliche Auftrag: "Gehe hin und wasche dich 7 x im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder erstattet und rein werden!" Wenn das schon eine Nichtbeachtung der Ehre war, die dem Naeman zukam, daß der Prophet Elisa den hohen Gast nicht selbst in Empfang nahm, aber der Auftrag, der war einfach beleidigend, einfach unmöglich. Habt ihr gehört, so wird Naeman seinen Knechten zugerufen haben, daß ich nicht lache, im Jordan soll ich baden, in dem Schmutzwasser? Ausgeschlossen! Wenn ich schon eine Wasserkur machen soll, dann könnte ich es viel besser in den sehr sauberen Flüssen in Syrien machen, dann hätte ich mir den weiten Weg bis hierher ruhig sparen können. Ein große Enttäuschung bricht über Naeman herein. Wieder eine Hoffnung weniger, wieder an der Nase herumgeführt und angeschmiert. Wenn doch nur Naeman gewußt hätte, wie sein Heil und seine Rettung dicht vor seinen Füßen lag. Wenn er es hätte doch erkennen können. Aber das ist es, Gottes Hilfe kommt nicht mit äußeren Gebärden, vor allen Leuten sichtbar, sie kommt eben nicht in der Gestalt eines Zauberdoktors, der seinen Hokuspokus macht, der möglichst oft in hexenhafter Weise den Namen Gottes im Munde führt. Die Hilfe Gottes kommt nicht mit Donner und Blitzen, sondern in der armseligen Gestalt eines Seufzers einer Sklavin. Sie kommt in der menschlichen, rein allzumenschlichen Gestalt eines Dieners Gottes. Sie kommt in der Gestalt eines nüchternen und trockenen Auftrags: "Gehe und bade dich 7 x im Jordan!" Diese armselige Gestalt der Hilfe Gottes vermag Naeman nicht mehr zu ertragen. Von ihr glaubt er keine Hilfe mehr erwarten zu können. Er wendet sich zornig ab, mehr enttäuscht als als je zuvor, hilflos und hoffnungslos. Ach, wenn er doch glauben wollte, daß gerade die Hilfe Gottes so für ihn bereit liegt, wie sie ihm Gott trotz aller Armseligkeit angeboten hat. O, daß er doch keinen Anstoß nehmen wollte an der äußeren Niedrigkeit des Heils und der Rettung. Wie oft mögen wir schon der Hilfe und der Rettung in unserem Leben aus dem Wege gegangen sein, weil wir in der Gestalt, wie sie uns angeboten wurde, Anstoß genommen haben. Aber hier in unserem Text kommt bei Naeman alles darauf an, daß wir dem Rettungsangebot Gottes, ganz gleich, in welcher armseligen Gestalt es zu uns kommen mag; stille halten und uns helfen lassen. Unserem Naeman wird diese Hilfe trotz des sich Abwendens in Zorn und Enttäuschung doch noch geschenkt. Gott in seiner Liebe zu diesem hoffnungslosen Menschen läßt ihn nicht einfach laufen. Wie ehedem die Sklavin, so fleht ihn jetzt ein Knecht an: "Lieber Vater, versuche es doch einmal, tue doch das, was der Prophet dir aufgetragen hat!" Diese Bitte eines Untergebenen wird wieder ein Wegweiser zu seiner Genesung und dieses Mal geschieht das Wunder, das große Wunder, daß er die Stimme des Propheten gehorcht und in den Jordan hinabsteigt und 7 x untertaucht und damit gesund wird. Naeman ist nicht enttäuscht worden. Er hat es erleben dürfen, daß hinter der armseligen Gestalt des Heils dennoch das ganze und vollkommene Heil sich verschenken will. Wenn wir beides betrachten, der unter so viel Schwierigkeiten zustande gekommene Gehorsam und die Heilung im Jordan, dann könnten wir fragen, welches Wunder größer sei, daß Naeman dem Worte Gottes glaubt und gehorcht oder daß er im Jordan gesund wird? Naeman allerdings darf beides erleben, er darf glauben und er darf gesund werden. Wenn gleich die Kinder hier im Gottesdienst getauft werden, dann könnten wir auch fragen: Wie kann schon Wasser diesen Kindern helfen? Wir haben hier kein verzaubertes Wasser, wie auch das Wasser des Jordans nicht verzaubert wurde, als Naeman hinunterstieg und doch wird das Wasser dem Kinde zum Heil, wie das Wasser des Jordans dem Naeman zum Heil geworden ist. Martin Luther hat uns das Geheimnis in seinem Katechismus im 4. Hauptstück bezeugt: "Wasser tut's freilich nicht, sondern das Wort Gottes, das mit und bei dem Wasser ist, und der Glaube, der solchem Worte Gottes im Wasser trauet." Nachdem Naeman so das Wunder des Glaubens und das Wunder der Heilung erfahren hat, kann er nichts anderes tun, als ein Zeuge der Güte Gottes in seine heidnische Umgebung zurückzukehren. Er gibt Anbetung und Ehre dem allein wahren Gott, der die Dunkelheit seines Lebens hell gemacht hat. Als ich gestern abend bei der Vorbereitung zur Predigt im Rundfunk die Glocken der Immanuelskirche in Wuppertal-Barmen hörte, die den Sonntag einläuteten, da ertönte daraufhin das Lied: "Der Morgenstern ist aufgedrungen.", das Zeugnis gibt von dem noch viel hellerem Licht, das auch in einer armseligen Gestalt in die Dunkelheit unseres Lebens kam und darauf wartet, daß wir ihm trotz seiner armseligen Gestalt trauen, daß es in der Gestalt unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus unser Leben einhüllt. Dagegen kann das Licht im Leben des Naemans nur ein trübes Öllämpchen sein und nur hinweisen auf dieses eine wahre Licht, das in Jesus Christus zu uns gekommen ist. Jesus Christus spricht: "Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben."
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