Kirchenjahr 1953/54 - 05 - | Lugar/Ort:Berglehrlingsheim in Hassel
Fecha/Datum:24/12/1953 | Otros Lugares/Weitere Predigtorte:
| Año Eclesiástico/Kirchenjahr:Heiligabend 1953 | Libro Bíblico/Buchbezeichnung:Lukas 2, 30 | | |
Skopus: Den Heiland sehen | | Kirchenjahr 1953/54 - 5 - Lukas 2, 30 "Denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen." Ich kann es mir gut vorstellen, daß es garnicht so einfach ist, in der Fremde, fern von Vater und Mutter, das Weihnachtsfest zu feiern. Mit Macht überkommt uns gerade zu dieser Zeit die Sehnsucht nach dem trauten Heim zu Hause, wo Vater und Mutter jetzt vielleicht dabei sind, den Weihnachtsbaum zu schmücken. Und manchem von euch, wenn es nicht aus irgendwelchen Gründen unmöglich wäre, ist es so zumute, daß er noch in dieser Stunde weglaufen möchte. Wie haben wir uns als Soldaten und Kriegsgefangene doch erleben müssen, wie starke Männer am Heiligabend zusammenbrachen und weinten wie die kleinen Kinder, vor Kummer und Schmerz. Es ist nun einmal der Fall, daß gerade wir als Deutsche das Weihnachtsfest begehen in einer Weise, wie sie sonst in anderen Ländern kaum üblich ist. Wir müssen sagen, dieses Fest ist ein Stück von uns selbst geworden und Mächte, die dem christlichen Glauben ferne stehen, haben es nicht fertiggebracht, dieses Fest aus unseren Herzen zu reißen. Das ist wahrlich ein gutes Zeichen. Allerdings gilt auch das andere, daß das Weihnachtsfest bei uns immer wieder zu einem Fest des Weihnachtsmarktes herabgewürdigt wird. Und wenn wir so das ganze Treiben in der Adventszeit in den Straßen und Städten sehen, da kann unwillkürlich der Gedanke kommen, daß das Weihnachtsfest zu einem Geschäft gemacht worden ist. Und so herrlich das alles ist und uns Menschen so wunderbar anspricht, der grüne Tannenbaum, das strahlende Lichtermeer, die vielen Geschenke und all die vielen alten volkstümlichen Weihnachtslieder, so herrlich das auch ist, so besteht doch eine einzige große Gefahr, daß das Weihnachtsfest zu einem Weihnachtszauber wird. Und merkwürdig, daß wir Menschen des 20. Jahrhunderts, als Menschen, die doch weit fortgeschritten sind und auch mächtig aufgeklärt sein wollen, daß wir uns so gern verzaubern lassen. Vielleicht ist das immerhin ein gutez Zeichen für uns Menschen des 20. Jahrhunderts, die schon so grausam sein konnten und soviel Grausames getan und erlebt haben, daß diese Menschen wie Kinder sein können, wenigstens einmal im Jahr. Aber ist mit dem Weihnachtszauber eigentlich schon das ganze Weihnachtsfest erfaßt? Wir wären arme Menschen, wenn das der letzte Sinn des Festes wäre. Mir ist eine Begebenheit bekannt geworden, daß in einer Familie ein Kind getauft wurde. Eine große Gesellschaft war zur Feier des Tages versammelt. Die Festlichkeit nahm einen herrlichen Verlauf. Manch einem Gast kam die Meinung, daß das eine gelungenes Fest sei. Aber gegen Abend fiel einem ein, was denn das Kind, zu dessen Taufe man ja zusammengekommen war, eigentlich mache. Und das Ergebnis war, daß das Kind im Bette unter der schweren Garderobe der Gäste erstickt war. Es lag dort tot. Ich habe so den Eindruck bei uns allen, daß wir es mit der wichtigsten Gabe des Weihnachtsfestes genauso machen. Das Kind in der Krippe, Jesus Christus, findet in unserem Herzen keinen Raum. Das brauchte ja nicht zu sein, denn was Gott uns da in seinem großen Geschenk, in seinem Sohn, anbietet, ist mehr, als was uns irgendjemand auf dieser Erde sonst anbieten kann. Wir kennen doch die Botschaft der Engel auf dem Feld: "Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren ist; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids." Diese Botschaft, die damals den Hirten auf dem Felde galt, gilt in derselben Weise heute auch uns. Wir dürfen Weihnachten feiern, weil unser Heiland geboren ist. Allerdings kommt es nicht darauf an, daß wir sein Kommen vor 2.000 Jahren feiern, sondern es kommt alles darauf an, daß dieser Jesus Christus, unser Herr und Heiland, auch zu uns komme, daß wir ihn weder durch unsere Traurigkeit, noch durch unsere Feierlichkeit ersticken, daß wir ihn aufnehmen, als unseren Kameraden, der mit uns geht durch diese Tage, der mit uns geht zum Leseband auf der Zeche, in die Markenbude und der auch mit uns geht, wenn wir in Not und Verzweiflung nicht ein- noch auswissen, der warnend seine Fiunger hebt, wenn er uns dabei ertappt, wie wir etwas tun, was ihn traurig macht. Heute dúrfen wir es ganz neu hören, daß der Heiland der Welt unser guter Kamerad werden will. Wenn wir, du und ich, das an diesem Heiligabend erleben dúrfen, dann brauchen wir auch hier, fern von den Lieben, vielleicht sogar allein in der Welt ohne Angehörige, die sich um uns kümmern, dann dürfen wir auch hier recht Weihnachten feiern, dann bekommen wir den zu Gesichte, der nur unser Bestes im Auge hat, dann bekommen wir den zu Gesichte, der uns die Nachricht Gottes überbringt: Gott hat uns lieb. Als vor 2.000 Jahren der alte Greis Simeon das Jesuskindlein auf seinen Armen hielt, da wurde ihm von Gott die Gewißheit geschenkt, daß dises Kindlein sein Heiland ist. Ob wir am Ende des Weihnachtsfestes mit Simeon fröhlich bekennen können: "Meine Augen haben deinen Heiland gesehen!" ?
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