Kirchenjahr 1952/53 - 30 - | Lugar/Ort:Gelsenkirchen-Buer-Hassel
Fecha/Datum:18/11/1953 | Otros Lugares/Weitere Predigtorte:
| Año Eclesiástico/Kirchenjahr:Buß- und Bettag 1953 | Libro Bíblico/Buchbezeichnung:Hebräer 12, 12 - 17 | | |
Skopus: Daß nicht jemand Gottes Gnade versäume! | | Kirchenjahr 1952/53 -30- Hebräer 12, 12 - 17 "Darum hat auch Jesus, auf daß er heiligte das Volk durch sein eigen Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So lasset uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. So lasset uns nun opfern durch ihn das Lobopfer Gott allezeit, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Wohlzutun und mitzuteilen vergesset nicht; denn solche Opfer gefallen Gott wohl. Gehorchet euren Lehrern und folget ihnen; denn sie wachen über eure Seelen, als die da Rechenschaft dafür geben sollen; auf daß sie das mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn das ist euch nicht gut."
Ein großes Volk ist auf der Wanderschaft. Es ist weder gebunden an Rassen und Staaten noch an Zeiten. Es geht mitten hindurch durch alle Völker und Landteile und alle Zeiten. Dieses Volk hat sich Gott aus allen Völkern erwählt und gesagt: Du bist mein Volk! Du gehörst mir! Diese Schar hat Gott, der Herr, aus der Knechtschaft anderer Herren und Gewalten befreit, so wie er einst das alte Volk Gottes, das Volk Israel, aus der Knechtschaft Ägyptens erlöst und in das verheißene Land geführt hatte. Das neue Volk Gottes, die Gemeinde oder die Kirche Jesu Christi, hat auch ein Ziel: Dem kommenden Herrn entgegen, der allem Streit und aller Not und allem Elend ein Ende setzt! Unser Text sieht heute aber nicht so sehr das Ziel, sondern er sieht das Volk an, das auf der Wanderschaft zu diesem Ziele ist. Er sieht das WANDERNDE VOLK GOTTES, zu dem wir ja auch gehören. Die Wanderschaft auf dieser Erde und in dieser Zeit ist kein Fahrt im Schlafwagen 1. Klasse eines Europa-Express, auch nicht eine Fahrt im Luxus-Omnibus mit allen Bequemlichkeiten, die man sich nur denken kann. Nein, diese Wanderschaft ist voll Strapazen und voller Nöte und Sorgen. Wenn unser Wort beginnt: "Darum richtet wieder auf die lässigen Hände und die müden Kniee!", dann steht dahinter, daß diese Schar herauskommt aus mancher Trübsal und Anfechtung, aus manchen Kämpfen und Verfolgungen. Es geht dabei dann immer um sein oder nicht-sein, um Leben oder Tod. Erstaunlich ist es noch, daß diese Schar, die wie ein müdes und zusammengeschlagenes Häuflein aussieht, nicht vollständig von der Erde verschwunden ist. Wie oft sind die Parolen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten herausgegeben worden: In unserem Reiche gibt es keine Kirche mehr! Und wenn man sich dann des Sieges freuen wollte, mußte man wieder zähneknirschend feststellen: Die Gemeinde Jesu Christi lebt. Alle Angriffe wurden abgewehrt. Allerdings liegt das nicht daran, daß die Kirche so tadellos in Ordnung war, daß so heldisch gekämpft wurde, sondern die Bewahrung der Kirche Jesu Christi in aller Trübsal liegt ausschließlich und allein daran, daß auf dieser Wanderschaft in einer besonderen Weise der Herr in seinem Wort und Sakrament mit uns geht. Wir sind als das neue Volk Gottes auf der Wanderschaft nie alleingelassen, unser Herr geht mit. Er ist es auch, der uns für diesen unseren Weg eine Hilfe gegeben hat. Er stellt uns hinein in die Gemeinschaft der Brüder und Schwestern. Es kann keinen Christen unter uns geben, der meint, er könne sich als einzelner auf die Wanderschaft begeben. Viele haben es wohl versucht. sie haben aber dann Schiffbruch erlitten. Der Christ braucht den Bruder und die Schwester, und in gleiucher Weise braucht ihn der Bruder und die Schwester. Wir sind uns gegenseitig zur Hilfe gesetzt. Nicht einzelne sind unterwegs, sondern das ganze Volk Gottes. Die Heilige Schrift ist jedenfalls nicht der Meinung, daß die Christen Helden seien, wie Siegfried, der Drachentöter, die mit eigener Kraft alle Schwierigkeiten meistern können. Nein, die Heilige Schrift sieht klar und deutlich, was das für Menschen sind, die Jesus Christus zu seiner Schar berufen hat. Es sind Menschen, die heute HOSIANNA schreien und schon im nächsten Augenblick stolpern und fallen. Meinen wir doch nur nicht, als ob wir diese Menschen nicht sein könnten, denen die Hände müde und matt werden und bei denen die Füße nicht mehr weiter können. Lange Zeiten sind wir unseres Glaubens froh und dann kommen schwere Ereignisse über uns, Krankheit und Tod, der geliebte Mann oder die geliebte Frau oder unsere Kinder werden von unserer Seite gerissen und dann? Wie schnell weicht doch unser fröhliche Glaube und voll Kummer wissen wir nicht mehr aus noch ein. Welch einen Trost gibt uns dann ein Wort oder ein Händedruck eines Menschen, der mit uns auf dem Wege zum Vaterhaus ist. Glaube aber niemand, er werde mit seinem Kummer und Elend oder auch mit seiner Schuld allein fertig, sondern beachten wir wir die Hilfe, die der Herr an unsere Seite gestellt hat, um uns wieder aufzurichten oder uns Mut zuzusprechen. Aber auch wir, die wir einen neben uns in Not sehen, laßt uns nicht achtlos vorübergehen, sondern nehmen wir den Auftrag wahr, den uns Gott als Glied des wandernden Gottesvolkes gegeben hat: "Richtet wieder auf die lässigen Hände und die müden Kniee!" Es dürfte eigentlich keinen Menschen in unserer Gemeinde geben, der in Not und Trübsal geraten ist und nicht unsere Hilfe erfährt. Neben denen, die müde und matt werden, gibt es immer wieder auch einige, die nicht mehr wissen, wohin sie ihren Weg lenken sollen. Sie nehmen es nicht so ernst mit der Gemeinde Jesu Christi und meinen, sie können doch einmal hören, was die ZEUGEN JEHOVAS und die NEUAPOSTOLEN sagen. So schlimm kann es doch mit ihnen nicht sein, schließlich meinen wir alle doch den einen Herrgott. Und ehe sie sich versehen, stehen sie nicht mehr in der Gemeinschaft der Gemeinde Jesu Christi, sondern in einer Sekte, die nichts nach dem Herrn Jesus Christus fragt. Wer von uns hat denn schon einmal daran gedacht, einem solchen Menschen, der in der Gefahr stand, von der Gemeinde abzuirren, zu besuchen und ihm zuzurufen: Vorsicht, gehe nicht den Weg ins Verderben! Wer von uns hat schon einmal daran gedacht, solch einem Menschen an die Hand zu nehmen und zur Gemeinde zurückzubringen? "Tut gewisse Tritte mit euren Füßen, daß nicht jemand strauchle wie ein Lahmer, sondern vielmehr gesund werde." Die Entschuldigung "Soll ich meines Bruders Hüter sein?" gilt in der Gemeinde Jesu Christi auf keinen Fall. Wir sind füreinander verantwortlich. Wie oft mag schon hier im Gottes Haus jemand neben uns gesessen haben, der darauf brennend wartete, daß wir ihm helfen, den rechten Anschluß an die Gemeinde zu finden und wir gingen an ihm vorüber, zufrieden, daß wir unsere seelische Erbauung gehabt haben. Spüren wir nicht die Verantwortung, die wir für unsere Familie, unsere Freunde und Bekannten und Nachbarn, haben? Haben wir uns noch nicht Gedanken darüber gemacht, daß unser Herr und Heiland auch für sie gestorben ist, daß unser Herr darauf wartet, daß wir sie dahin mitnehmen, wo auch sie das Wort hören dürfen: Dir ist dein Weglaufen von Gott vergeben, auch du darfst zu ihm gehören. So viele stehen am Wege unserer Wanderung und warten darauf, daß wir sie einladen. Wollen wir nicht endlich unsere Aufgabe und Pflicht sehen? "Sehet darauf, das nicht jemand Gottes Gnade versäume." Das wandernde Volk Gottes ist nicht nur von Gefahren ringsum bedroht, nicht nur Verfolgunszeiten brechen darüber herein, sondern es gilt allezeit auf der Hut zu sein, daß nicht jemand ungestört sein Zerstörungswerk innerhalb der Gemeinde vollführen kann. Der, der dieses wandernde Volk Gottes zerstören möchte, ist kein anderer als der Widersacher Gottes selbst. Er bedient sich der Menschen, die im frommen Gewand einherschreiten, die durch Lügen und Verleumdungen Unruhe und Unzufriedenheit in der Gemeinde stiften wollen. Denken wir daran, wie auf der Wanderschaft des alten Volkes Gottes, des Volkes Israel, die ROTTE KORAH, die gegen Mose und damit gegen Gott murrten und Unzufriedenheit, ja sogar Rebellion, offenen Widerstand, planten, unter ein furchtbares Gericht Gottes fielen. Zu jeder Zeit und in allen Gemeinden ist der Ruf zu beachten: Seid wachsam, erkennet die, die das Volk Gottes zu zerstören drohen und habt auch keine Gemeinschaft mit ihnen, denn ehe ihr euch verseht, steht ihr auf der Seite des Zerstörers und damit fällt ihr unter das Strafgericht Gottes. Diese zerstörenden Mächte, von denen in unserem Text die Rede ist, können christusfeindliche Weltanschauungen sein, die sich christlich geben. Es ist ja nicht lange her, da hatten wir solch eine bittere Wurzel in der Gestalt der DEUTSCHEN CHRISTEN mitten unter uns. Heute sind es die Kräfte, die innerhalb der Kirche ihre Parolen vom christlichen Abendland verkündigen. Andere zersetzende Reden können aber auch von einzelnen Personen in einer Gemeinde ausgehen. Unser Text mahnt uns in aller Deutlichkeit: Wollt ihr ans Ziel eurer Wanderschaft kommen, "so sehet darauf, daß nicht etwa eine bittere Wurzel aufwächst und Unfriede anrichte und viele von euch verunreinigt werden." Noch einmal geht in unseren Versen eine Warnungstafel hoch, auf der geschrieben steht: Vorsicht, hier droht das Verderben! "Sehet darauf, daß nicht jemand sei ein Gottloser wie Esau, der um einer Speise willen seine Erstgeburt verkaufte. Wisset aber, daß er hernach, da er den Segen ererben wollte, verworfen ward." Hier an dieser Stelle wird Esau als einer angesehen, dem das Vaterhaus weit offen steht, der als de Erstgeborene das sichere Anrecht auf die Gottes Zugehörigkeit hatte. Aber er hatte sein Erbe verschachert für einen Teller Linsensuppe. Im allgemeinen sind wir der Ansicht, damit haben wir doch nichts zu tun mit diesem gottlosen Esau. Wenn allerdings dieser Vers hier steht, dann soll er uns sagen: Die Esaus sind noch nicht ausgestorben. Es sind die noch nicht ausgestorben, die Sonntag für Sonntag zum Gottesdienst kommen und regelmäßig am Leben der Gemeinde teilnehmen, sodaß allgemein der Eindruck entsteht, das sind Menschen, die zu uns gehören, die zum Volk Gottes gehören. Aber was geschieht, wenn sie einmal an der Arbeitsstelle gefragt werden, was sie von der Kirche halten oder von diesem Jesus von Nazareth, dann schweigen sie. Es könnte ja sein, daß sie sonst vom Steiger oder vom Meister einen schlechteren Arbeitsplatz angewiesen bekommen. Oder welche Gefahr besteht für junge Christen im Frweundes- oder Freundinnenkreis, wenn sie bekennen sollen, ich gehöre zur evangelischen Jugend. Der ganze Spott wird ihn dann treffen. Und es ist ja doch so leicht, irgendeine Entschuldigung oder Ausrede zu finden. Jeder aber sehe fein zu, daß er nicht um irgendeinen kleinen Vorteils willen, seine Gotteskindschaft verkaufe wie der Esau. Diese Mahnungen, die wir mit unserem Text gehört haben, sind wichtig für unsere Wanderschaft zum Vaterhaus. Und es hängt das Erreichen des Zieles mit davon ab, daß wir diese Ordnungen, die uns gegeben sind, nicht in den Wind schlagen. Wenn wir darin aufgefordert werden, Helferdienste unseren Brüdern und Schwestern zu leisten, so könnte leicht der Fall eintreten, daß wir über die, die straucheln und fallen und vom Wege abirren und Not und Kummer über die Gemeinde bringen, zu Gericht sitzen und meinen, wir müßten Gott als Richter schon auf dieser Erde vertreten. Wir fühlen uns dann so wohl, dem anderen den mahnenden Finger zu zeigen. Aber das wird uns in unserem Texte eindrücklichst verwehrt: "Jaget nach dem Frieden gegen jedermann!", das heißt in unserem Zusammenhang: Seid zur Vergebung bereit! Aller Dienst und alle Hilfe und jede Mahnung und im Ernstfall auch der Ausschluß aus einer Gemeinde, darf nur eine Aufgabe erfüllen, daß die christliche Gemeinde eine Schar bleibt, die ausschließlich davon lebt, daß ihr Herr ihnen ihre Schuld vergeben hat. Aller Dienst im wandernden Volk Gottes ist diesem Ziele einzuordnen: Höre, du Strauchelnder, du darfst wieder auf festen Füßen stehen, denn Jesus Christus hat dir dein Straucheln schon längst vergeben! Höre, du, der du vom rechten Weg abgekommen bist, weißt du denn nicht, daß Jesus Christus dich schon längst unter die Arme gegriffen hat und mit dir zur Gemeinde zurückgeht! Er hat dir deine Flucht vergeben. Höre, du, der du bis jetzt das Heil in den Wind geschlagen hast, du darfst es dennoch wissen, daß der Herr dich wieder in seiner Gemeinde sehen möchte. Ja, es gilt auch dieses: Höre, du, der du mit dabei warst, als die zerstörerischen Kräfte die Gemeinde zunichte machen wollten, Jesus Christus hat auch dir deine Schuld vergeben, du darfst zurückkehren, nicht mehr als ein Zerstörer, sondern als ein Bruder und als eine Schwester. Wenn unsere Liebe auch Grenzen hat, so kennt der Herr in seiner Liebe keine Grenzen. SEIN KREUZESTOD TILGT ALLE SCHULD! "Trachtet nach dem Frieden gegen jedermann und seid zur Vergebung gegen jedermann bereit!" Diese Vergebung all unseres Ungehorsams ist es, die wir nicht nur einmal nötig haben, sondern wir sind Menschen, die immer und immer wieder fallen, die immer und immer wieder ihrem Herrn und seiner Gemeinde Schande bereiten. Wir sind eine Schar, die die Wanderschaft nicht einen einzigen Tag in eigener Kraft vollführen können, näher dem Ziele zu. Wenn es an uns liegen würde, würde keiner von uns das Ziel erreichen, aber es liegt, Gott sei gedankt!, nicht an uns, an unseren Fähigkeiten, sondern einzig und allein an unserem Herrn Jesus Christus, der uns in aller unserer Schwachheit nicht losläßt, sondern immer aufs neue sein Wort der Gnade für uns bereithält: Dir sind deine Sünden vergeben! Laßt uns jeden Tag neu dieses sein Wort hören! Laßt uns jeden Tag neu auf seinen Wink unsere Wanderschaft fortsetzen! Auf sein Wort hin wollen wir es wagen!
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