Kirchenj. 1954/55 bis Himmelfahrt - 8- | Lugar/Ort:Villa Ballester/Buenos Aires
Fecha/Datum:08/04/1955 | Otros Lugares/Weitere Predigtorte: Aldea Protestante, Gründonnerstag 1956 Camarero, Karfreitag 1956
| Año Eclesiástico/Kirchenjahr:Karfreitag 1955 | Libro Bíblico/Buchbezeichnung:Johannes 19, 30 | | |
Skopus: Das Kreuz ist die Vollendung des Heilswerkes Jesu | | Kirchenjahr 1954/55 bis Himmelfahrt-8- Johannes 19, 30 "Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: ES IST VOLLBRACHT! und neigte das Haupt und verschied."
Jahr für Jahr hören wir am Karfreitag diese Nachricht, daß Jesus sein Haupt neigte und verschied. Es könnte wahrlich bei dem einen oder bei dem anderen unter uns so sein, daß er fragt: Warum denn immer und immer wieder diese Geschichte von dem sterbenden Jesus? Wird ,es denn nicht bald Zeit. daß wir auch ihn vergessen, wie auch wir nach und nach unsere Toten vergessen, so lieb sie uns gewesen sein mögen? Endlich muß doch dieser Jesus ein für alle Male beerdigt werdem, damit wir unter sein Leben den Schlußstrich setzen und seine Geschichte zu den Akten legen. Viele Menschen unserer Zeit möchten in der Tat die Geschichte zum Abschluß bringen, weil sie erkennen, daß da etwas ist, mit dem sie nicht fertig werden können, daß sie nicht zur Ruhe kommen läßt. Wie mögen die Schriftgelehrten und Hohenpriester in Jerusalem gejauchzt und triumphiert haben, als sie den Mann, der ihnen so unangenehm geworden war, wie einen Verbrecher sterben sahen? Ist erst der Tod dieses Mannes eingetreten, dann haben wir endlich Ruhe, dann erinnert uns niemand mehr daran, daß unser ganzes Leben trotz aller scheinheiligen Frömmigkeit eine einzigartige Flucht vor Gott gewesen ist. Ist erst der letzte Atemzug dieses Jesus getan, dann ist niemand mehr da, der uns die Maske vom Gesicht reißt und unsere ganze Schändlichkeit aufdeckt. Wo Jesus Christus einen Menschen anschaut, da sieht er durch alle Äußerlichkeiten hindurch bis aufs Herz und durchschaut uns bis in die entlegensten Winkel unseres Herzens und unserer Gedanken. Niemand könnte vor ihm bestehen. Niemand könnte vor ihm stehen und sagen: Bei mir aber ist alles in Ordnung, denn ich habe immer das getan, was du von mir wolltest. Alle miteinander müssen wir bekennen: Herr, ich habe gerade das Gegenteil von dem getan, was du wolltest. Du wolltest, daß ich mich zur Gemeinde und seinen Gottesdiensten halte, ich aber tat so, als ob ich zum Gottesdienst gehen könnte wie ins Kino oder ins Theater, je nach Lust und Laune. Du, Herr, wolltest, daß ich meine Hände zum Gebet falte und ich hielt ein Gespräch mit dir nicht für notwendig. Du, Herr, wolltest, daß ich dich vor allen Menschen bekenne und ich tat in Freundeskreisen und in der Nachbarschaft so, als kenne ich dich nicht. Du, Herr, wolltest, daß ich mich der Armen und Kranken annehme und ich ging stattdessen mit einer hochnäsigen Haltung an ihnen vorbei. Das sind wir Menschen, die vor Jesus Christus stehen. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir den Namen CHRISTEN tragen oder nicht. Sich so erkannt zu wissen, ist wahrlich kein Vergnügen. Darum können wir nur zu gut verstehen, daß die Menschen damals mit den Zähnen knirschten und die Fäuste ballten und Drohungen und Verwünschungen ausstießen: "Hinweg mit diesem!" und: "Kreuziget, kreuziget ihn!" Die ganze Passionszeit unseres Heilandes ist der Versuch von uns Menschen, ihn endlich loszuwerden, weil er uns durchschaut und erkannt hat, wie erbärmlich wir da vor ihm stehen. Der Ruf: "Hinweg mit diesem, kreuziget, kreuziget ihn!" erscholl nicht nur vor 2.000 Jahren, sondern dieser Ruf geht durch alle Jahrhunderte und durch alle Länder der Erde bis auf den heutigen Tag. Auch heute ist Jesus uns Menschen unangenehm und wir versuchen, ihn entweder mit einer Handbewegung beiseite zu schieben oder ihn sogar mit Gewalt zum Schweigen zu bringen. Wie oft haben wir Menschen es gewünscht und erwartet, daß wir endlich von Jesus und seiner Botschaft sagen können: "Und er neigte sein Haupt und verschied." Ach, was sind wir Menschen doch für komische Kreaturen, wie mißverstehen wir Gott, wie mißverstehen wir unseren Herrn und Heiland. Haben wir denn überhaupt keine Ahnung mehr davon, daß Jesus Christus, der da vor uns steht und uns anschaut und uns unsere ganze Trostlosigkeit aufzeigt, daß dieser Jesus aber nicht vor uns steht mit einem Verdammungsurteil. Das ist wohl die Weise aller menschlichen Obrigkeit, daß sie den Übertreter des Gesetzes bestraft und ins Gefängnis wirft. So handelt unser Herr nicht, sondern indem er uns zeigt, wie weit wir von seinem Vater im Himmel geflohen sind, zeigt er uns gleichzeitig auch den Weg zur Rückkehr, den Weg zur Hilfe. Wir haben im Neuen Testament kein Wort Jesu, mag er damit ein noch so großes Gericht androhen, das nicht gleichzeitig noch eine Möglichkeit aufweist, wieder zum Vater im Himmel zurückzukehren. Jesus Christus ist in seinem ganzen Leben und Reden, in seinem Leiden und Sterben, die ausgestreckte Hand Gottes, die uns als die Verlorenenen wieder heimführen möchte. Diese Liebe Gottes zu uns Verlorenen hört selbst da nicht auf, wo es nach einem Sieg der menschlichen Willkür aussieht. Wir Menschen haben anscheinend doch gesiegt, wir haben Jesus Christus beseitigt. Es heißt in unserem Text: "Und Jesus neigte sein Haupt und verschied." Müßte da in diesem Moment nicht Gott mit harter Faust zuschlagen und seine Gerichtsandrohungen wahrmachen, da ja menschliche Bosheit in der Ermordung des Sohnes Gottes ihren höchsten Triumph feiert? Nein, selbst in diesem Augenblick, da unsere Verderbtheit zum Ausdruck kommt, gerade da keine Verdammung, da keine Verfluchung, sondern durch allen Hohn und Spott, durch alle Marter und Qual hindurch das Wort der Hilfe des Herrn für uns Menschen: "Es ist vollbracht!" Durch alle menschliche Grausamkeit hindurch reicht Gott uns seine liebenden Vaterhände. "Es ist vollbracht!" ist das Wort, das uns rettet von aller unserer Schuld und uns von unserer Flucht zurückholt zu Gott. Unser Leben mit allen Irrungen und allen Fehltritten und mit unserer Rebellion gegen Gott, ist noch kein verpfuschtes Leben. Das dürfen und sollen wir wissen, denn Jesus Christus ruft auch uns zu: "Es ist vollbracht meine Erlösungswerk für euch Menschen!" Dieses Wort des sterbenden Jesus dürfen wir für uns in voller Wirkung in Anspruch nehmen und als das Wort des Heiles für unser Leben erkennen: "Gehe hin in Frieden, denn dir sind deine Sünden vergeben!" Wir werden mit dem Worte: "Es ist vollbracht!" gerufen zu der Schar derer, die von diesem Vollbringer des Heilswerkes leben und nun fröhlich durch das Leben gehen, auch in den grauen Alltag hinein. So liegt über Karfreitag trotz all der Qual und des Schmerzes unseres Heilandes doch schon die große Freude darüber, da Jesus Sieger geblieben ist und uns durch sein Leiden und Sterben zu Gottes Kindern gemacht hat. Wir können nichts anderes tun, als auch an diesem Tage Gott für seine große Liebe zu uns zu danken. Wir können nichts anderes tun als uns in der großen Dankbarkeit von Jesus Christus in den Dienst stellen lassen und als seine Jünger ihm nachzufolgen. Wir können und dürfen aber auch dadurch unseren Dank zum Ausdruck bringen, daß wir uns nachher zum Tisch des Herrn rufen lassen und das Heilige Abendmahl miteinander feiern, da derselbe Herr Jesus Christus der Gastgeber ist: "Kommt, denn es ist alles bereit, sehet und schmecket, wie freundlich der Herr ist!"
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