1 Monatssprüche bis 1974- 18 | Lugar/Ort:Reffino
Fecha/Datum:19/05/1974 | Otros Lugares/Weitere Predigtorte: Meroú, 2-6-1974 | Año Eclesiástico/Kirchenjahr:Monatsspruch April 1974 | Libro Bíblico/Buchbezeichnung: Johannes 16, 33 | | |
Skopus: In der Welt der Angst schenkt Jesus uns Vertrauen. | | 1 Monatsspr. bis 1974 18 -April 1974-Johannes 16,33 "Jesus Christus spricht: In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden."
Wir Christen sind Bürger zweier Welten. Einmal gehören wir der Welt an, die Gott gut geschaffen hat und in der jedes menschliche Wesen ein menschliches Leben führen kann, so wie es Gott gewollt hat. Aber diese Welt, von der auch unser Text spricht, ist durch unsere Schuld durcheinander geraten. Aus einem Paradies haben wir eine Hölle gemacht. Aus einer Welt, in der jeder Mensch in Freiheit sein Leben führen kann, mit gleichzeitiger Respektierung der Freiheit und des Lebens der anderen, haben wir eine Welt gemacht, in der die Freiheit mit Füßen getreten, das Leben der Mitmenschen für Dreck geachtet und in allem Bemühen, auch wenn man Vaterland sagt, nur an den eigenen Geldbeutel gedacht wird, ohne nach dem Wohl der anderen zu fragen. Daß diese unsere Welt im Argen liegt, können wir nicht nur in der weiten Ferne feststellen, sondern ist geradezu charakteristisch für unsere nähere lateinamerikanische Umwelt. Um ein angebliches kommunistisches Durcheinander in Chile mit einem wirtschaftlichen Chaos zu beseitigen, haben die Militärs aus Chile ein Land des eisigen tötlichen Schweigens gemacht, indem kein Mensch vor dem Tode, vor dem Terror oder Gefängnis sicher ist. Die Inflation ist um 1.000% gestiegen, sodaß die einfachen armen Menschen sich nicht mehr das tägliche Brot kaufen können, während die Reichen alles haben können, was sie haben wollen. Die Vertreter der christlichen Kirchen, die sich im Namen Jesu, des Weltkirchenrates und der Vereinigten Nationen für die Verfolgten einsetzen und ihre Menschenwürde verteidigen, werden verdächtigt und ebenfalls verhaftet, wie es auch dem Präsidenten der Evangelischen Kirche deutscher Herkunft, Pastor Frenz, und anderen Pfarrern dieser Kirche erging. Ähnlich sieht die Situation in Brasilien, Bolivien und Paraguay aus. Vor kurzer Zeit wurde ein junger angehender Pfarrer unserer Kirche bei einer Reise nach Montevideo beim Rückflug unter einem bestimmten Verdacht aus dem Flugzeug geholt, mit einem Sack über dem Kopf verschleppt und gefoltert und erst durch Protest der argentinischen Regierung nach Tagen wieder freigelassen und nach Argentinien zurückgeschickt. Der junge argentinische Amtsbruder war durch die Folterungen körperlicher und psychischer Art bei seiner Rückkehr so verstört, daß Kirchenpräsident Dr. Held ihn mit dem nächsten Flugzeug für Monate nach Deutschland zur Erholung schicken mußte. Verschlimmert sich nicht von Tag zu Tag die Situation im eigenen Land? Der Priester Mugica wird erschossen, ein anderer mit der Jugend in Córdoba verhaftet. Eine Gruppe mißtraut der anderen und schießt den nieder, der einem nicht gefällt. Wurde nicht vor wenigen Tagen ein Glied unserer Gemeinde in Crespo von einer Militärpatrulle ohne offensichtliche Notwendigkeit erschossen oder wurde nicht in Paraná mit Hilfe einer bewaffneten Knüppelbande an der Universität die Interventorin unter Assistenz der Regierung und der Polizei eingestezt und später nicht die Knüppelbande verhaftet, sondern 34 Studentinnen und 17 Studenten, die nichts mit den Gewaltakten zu tun hatten. Seit Wochen wird der Kirchenpräsident unserer Schwesternkirche, der Iglesia Evangélica Luterana Unida en Buenos Aires, von der hiesigen Polizei auf Schritt und Tritt beobachtet und unter Druck gesetzt, weil er sich im Auftrage des Weltkirchenrates um die chilenischen Flüchtlinge kümmert. Wahrlich, Jesu Wort: "In der Welt habt ihr Angst," charakterisiert das Leben von heute, das geprägt ist von Angst und Mißtrauen und Haß, Mord und Totschlag, von Unterdrückung und Ausbeutung. Ist Jesus selbst nicht ein Opfer dieser Welt geworden, von den Mächtigen gefoltert und zu Tode gequält, vom unwissenden Volk verhöhnt und verspottet. Von Natur aus regieren wir Christen in solchen Situationen nicht anders als die anderen alle. Wir haben auch Angst und Furcht vor dem, was kommt, und handeln aus solcher Angst heraus. Warum kann uns dennoch dieser Jesus, der sich diese Schrecken und Grausamkeiten am eigenen Leibe erfahren mußte, zurufen: "In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost!"? Weil er mitten im Chaos dieser Welt ein anderes Reich, sein Reich, eingesetzt hat und dabei ist, dieses sein Reich, diese seine Herrschaft des Friedens und der Liebe zum Siege zu führen, allen Widerständen zum Trotz. Als am Kreuz auf Golgatha es so schien, als ob schon gleich am Anfang alle Bemühungen um eine bessere Welt gescheitert wären, mitten in den gräßlichsten Todesqualen, konnte Jesus schon den Erfolg aller seiner Bemühungen erkennen: Eine neue Welt, eine Welt, in der Gerechtigkeit herrscht, in der jeder Mensch in voller Freiheit sein Leben leben kann, ohne Unterdrückung, ohne Ausbeutung und ohne Hunger. Dieses alles war damit gemeint, als Jesus am Kreuz ausrief: "Es ist vollbracht!" Sein Leben und Wirken, sein Tun und Handeln und Sprechen, die äußerlich nach einem totalen Frakassos aussahen, haben doch dazu geführt, die Herrschaft Gottes unter der Leitung Jesu mitten in unsere Welt einzupflanzen, den Grund für das Reich Gottes auf dieser Erde zu legen. Und Jesus in seinem Sterben sieht bereits die Vollendung dieses Reiches des Friedens und der Liebe. Er spricht: "In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden." Weil er sich seines Weges gewiß ist, weil er das Ziel einer neuen und besseren Welt schon erkennen kann, macht er auch uns Mut, unseren Blick in allen Anfechtungen und Schwierigkeiten, in aller Furcht und Angst und vielleicht Terror, schon auf das Ziel dieser neuen Welt zu richten, um neue Kraft geschenkt zu bekommen, nicht nur auszuhalten, sondern mitzuarbeiten. Wir als Christen haben durch unser Handeln und Sprechen mitzuhelfen, daß die Herrschaft Gottes unter uns immer mehr Wirklichkeit werde. Wir dürfen die neue Ordnung praktizieren, statt Angst und Furcht, Vertrauen und Zuversicht in Gott, der uns fest in seiner Hand hält, statt Haß und Mord Liebe und Gemeinschaft untereinander, statt des Bestrebens, nur für sich zu sorgen, anfangen, die Nöte und Probleme und Schwierigkeiten anderer Menschen zu den eigenen zu machen und zu helfen, sie zu überwinden. Das Wort Jesu: "In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden", will uns so die Zeichen der Zeit verstehen lernen, uns inmitten einer Welt des Mißtrauens und des Hasses, der Angst und der Furcht wieder Vertrauen schenken und uns trösten und schließlich uns Kraft geben, inmitten dieser Welt Gottes Herrschaft zu bezeugen, durch unser Leben zu bezeugen.
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