Brief des Kirchenpräsidenten P. Reinich | Documento Nº 164 | Lugar/Ort: | Fecha/Datum:1998 | | Resumen/Skopus: | | Brief des Kirchenpräidenten: Liebe Schwestern und Brüder, die grundlegenden Probleme des Miteinanderauskommens in der Gesellschaft und der Existenz nach dem Tode sind Fragen, die die Menschen zu allen Zeiten beschäftigt haben. Für uns Christen sollte diese Passionszeit eine Gelegenheit sein, innezuhalten, um in und um uns zu schauen und uns der Gnade Gottes zu öffnen, damit wir unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen in der Treue gestalten, wie er es von uns erwartet. Im Leben, Leiden und Tod und in der Auferstehung Jesu Cristi, dem neuen Menschen, finden wir sowohl die Antwort auf unsere transzendentalen Fragen wie auch Beispiele für das Verhalten in unserem Leben und konkretem Wirken, hier und heute. In irgendeiner Weise spielen sich diese immer zwischen zwei Polen ab, entweder wir lassen unseren Nächsten fallen oder wir helfen ihm auf. In diesem Zusammenhang kann ich ein Ereignis nicht unerwähnt lassen, denn in ihm spiegeln sich fundamentale Verhaltensweisen wider, die unser ganzes Leben und das unserer Völker tief in Mitleidenschaft ziehen. Ich meine das Geständnis des Korvettenkapitäns a.D. Adolfo Francisco Scilingo, in dem er Einzelheiten über die Methoden berichtet, die während der letzten Diktatur in Argentinien benutzt wurden, um Menschen umzubringen und verschwinden zu lassen. Es offenbart die sogenannten "Todesflüge", bei denen aus Flugzeugen der Kriegsmarine lebende Menschen in das Wasser des La Plata-Flußes geworfen wurden. Im Oktober 1989 schrieb ich in diesem meinem Brief, daß die Realität der Menschen und die Geschichte der Völker zeigen, daß das, was man mit Vergessen zudecken will, ohne sich ihm gestellt und es gründlich verarbeitet zu haben, früher oder später wieder aufbricht, oft mit der Kraft eines krankhaften Auswuchses, und dann noch schwerer zu bewältigen ist. Es ist, wie wenn man einem Auto eine neue Farbe gibt, ohne die Oberfläche gründlich gesäubert zu haben. Obgleich alles bunt und leuchtend erscheint, nagt der Rost doch unter der Farbe weiter und irgendwann bricht und springt das Make-up, auch wenn es sich um den besten Lack handelt. Wir sagen es so mit den Worten Jesu, "daß die übertünchten Gräber auswendig hübsch erscheinen, aber inwendig voller Unrat sind". -Matthäus 23,27- Darum klingt angesichts jeglichen korporativen SCHWEIGEPAKTES, der eher in einer Mafia-Organisation angewandt wird als in einer Institution, die Respekt von der ganzen Nation fordert, die Lehre Jesu über die Heuchelei prophetisch und heilend, wenn er sagt, daß "nichts verborgen ist, was nicht offenbar werde, noch heimlich, was man nicht wissen werde."-Lukas 12,2- Diesbezüglich lehrt uns auch die Menschheitsgeschichte, daß es für das Gewissen sehr schwer ist, der Klage des Blutes des ermordeten Bruders zu entkommen, unabhängig davon, was für eine Ideologie damit verteidigt werden soll. -1. Mose 4,10- In dieser Hinsicht glaube ich, daß wir all jene Menschen ermuntern sollten, die dazu fähig sind, den perversen Schweigepakt zu überwinden und ihre Beteiligung an den ungeheuren Geschehnissen, die auf ihrem Gewissen lasten, einzugestehen. Wir ermutigen sie, das auszusagen, was sie wissen, trotz des Versuches, diese Ereignisse öffentlich zu vergessen, indem man sie als "gerichtlich erledigt" betrachtet. Wenn auch andererseits den ermordeten Personen das Leben nicht zurückgegeben werden kann, fordere ich doch auch das vollständige Verzeichnis ihrer Namen, einschließlich der Umstände ihrer Festnahme und ihres Verschwindens. Es ist das elementare Recht der Angehörigen, zu wissen, was mit ihren vermißten Lieben geschehen ist. Wiederholt habe ich in meinem Briefe gesagt, daß auf Grund des Lebens und der Lehre des, der bezeugt hat, der echte Friedenskönig zu sein, es zu unserem Amt gehört, die Versöhnung zu verkündigen, in der Hoffnung, daß sie von allen akzeptiert und praktiziert wird, besonders auch im Hinblick auf einen festgegründeten Frieden. Gottes Wort und eine tausendjährige menschliche Erfahrung lehren, daß Wahrheit und Gerechtigkeit unverzichtbare Werte sind, um Versöhnung zu ermöglichen und einen echten Frieden zu erreichen und zu erhalten. Darum bin ich einig mit denen, die auf Grund der Erfahrungen ihrer eigenen Völker bekennen, daß die Versöhnung einer Gesellschaft oder eines Volkes nur möglich ist, wenn die Verantwortung und Schuld öffentlich und restlos zugegeben wird. Für Christen ist das Tragen der Verantwortung für die eigenen Handlungen, und das Eingeständnis der Schuld und der Fehler und des Versagens unlöslich verbunden mit der Bereitschaft, sie nicht mehr zu wiederholen. Dies ist ein Ausdruck der persönlichen Reife und der einzige Weg zu einer echten Versöhnung. Im anderen Falle wäre die Vergebung eine geheuchelte Fiktion, ohne die Möglichkeit, daß sie uns befreit zu einem neuen Anfang. Ich bekräftige darum, daß jeder Versuch einer persönlichen oder institutionellen Selbstrechtfertigung, die die Vergangenheit zu leugnen und zu vergessen sucht, ebenso auch die Forderung, die grausamsten Aktionen gegen die Würde und das Leben der Menschen seien moralisch untadelig gewesen, immer ein Hindernis für den echten Frieden sein wird. Im Gegensatz dazu sehe ich es als Zeichen der Reife und der Ernsthaftigkeit an, wenn eine Gesellschaft ihre Institutionen und Mechanismen, wie Justiz und öffentliche Auseinandersetzung, in Gang setzt, damit alles Verborgene ans Licht kommt, selbst wenn es noch so weh tut. Nur auf diese Weise sind eine echte Bekehrung und ein neuer Anfang möglich, die die Arbeit zugunsten des Lebens selbst und auch zugunsten der Bedingungen, die ein würdiges Leben für alle sichern, erlauben. In herzlicher Verbundenheit Rodolfo R. Reinich Kirchenpräsident
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