Seltsame Beziehungen bei der Rheinischen Mission 1946-1955 | Nota de Revista Nº 160 | Lugar/Ort:Revista FRAUEN LEBEN | Fecha/Datum:1996 | | Resumen/Skopus: Ein Stück eigener ähnlicher Geschichte! | | Seltsame Beziehungen bei der Rheinischen Mission 1946 - 1955 Mein Mann begann Ende 1946 als Aspirant sein Studium bei der Rheinischen Missionsgesellschaft. Nach zwei heil überstandenen Soldatenjahren wollte er als 19 jähriger Missionar in einer friedlichen Welt werden. Den Krieg, Bomben und Granaten hatten wir damals alle satt. Ich begann etwa zur gleichen Zeit meine Arbeit auf dem Gemeindeamt unserer Heimatgemeinde. Dort, in Solingen-Wald, wohnten wir bei unseren Eltern. Wir kannten uns seit 1943. Zum Heiraten waren wir noch etwas jung. Ehrlich erzählte mein Mann bei seinem Eintritt in die Rheinische Missionsgesellschaft von seiner "Beziehung". Man riet ihm, dieses Verhältnis für die Dauer des Studioums "zurückzustellen". Das hieß, daß bis zur Ausreise nach Irgendwo und bis zur Hochzeit noch 8-9 Jahre zu schaffen waren. Mein Mann hatte kein Abitur und mußte dies nachholen. EIN SCHWERER ANFANG Für mich hieß es konkret: Geld verdienen, jeden Pfennig sparen, damit der Hausstand nach diesen Jahren gegründet werden konnte. Doch es gab nichts zu kaufen. Die alte Reichsmark war faules Geld und alles lag in Trümmern. Erst nach der Währungsreform am 20. Juni 1948 konnte man sparen und kaufen. Zu dieser Zeit war ich 22 Jahre. Ich erinnere mich, daß ich Monat für Monat für etwa 100-150 Dm etwas kaufen konnte. Porzellan, Gläser, Kochtöpfe, Wäsche, Bettzeug und anderes wurde nur kurz angesehen, seefest verpackt und in Kisten gestapelt. Nach wenigen Jahren glich mein Zimmer einem Warenlager. Die Freude war dennoch jeden Monat groß, denn 100-150 DM waren damals viel Geld. Es war unser Glück, daß das Studium bei der Rheinischen Missionsgesellschaft unentgeltlich war. Mein Schwiegervater als einfacher Arbeiter hätte seinem Sohn dies nie finanzieren können. Nach dem Krieg hatten alle nichts und jeder fing nach der Währungsreform mit 40 DM "Kopfgeld" an. Ich will damit sagen: es war für junge Leute auch damals ein sehr schwerer Anfang. Der Rheinischen Missionsgesellschaft und den vielen Spendern gebührt auch heute noch unser herzlicher Dank. Es war üblich, daß man als zukünftige Misionarsfrau zwischendurch eine kurze Ausbildung bgeann, die dem Beruf in der Ferne hilfreich war. Vorher mußte ich aber noch die Ausbildung meines zehn Jahre jüngeren Bruders finanzieren, denn Handelsschule und Höhere Handelsschule mußten bezahlt werden. Meine Eltern waren dazu nicht in der Lage. So begann ich erst spät, im Frühjahr 1953, am Katechetischen Seminar in Wuppertal-Elberfeld eine Ausbildung als Gemeindehelferin, selbstgespart und selbstfinanziert. In den zwei folgenden Ausbildungsjahren verdiente ich keinen Pfennig. Von irgendwas mußte ich ja auch leben. Meine Eltern konnte ich um nichts bitten. Sie waren froh, daß ihre 3 Kinder endlich einen Beruf hatten - aber den zweiten, den konnten sie nicht bezahlen. Trotz aller Mühe und Sorge ist mir diese Elberfelder Zeit unvergeßlich gut und lehrreich im Gedächtnis. Jeden Morgen fuhr ich mit Schülerkarte von Solingen-Ohligs bis Wuppertal-El;berfeld. Auto??? Fehlanzeige!!! Ich habe alle gelernten Fächer wie Altes und Neues Testament, Kirchengeschichte, Kirchenkunde, Musik mit Dirigieren und vieles mehr als Missionarsfrau gut verwenden können. Auch die gelernte Verwaltungsarbeit konte ich später in Afrika gut nutzen. NIEMAND DURFTE ES WISSEN Doch die Ausbildungszeit wurde für uns beide lang, lang ... Unser Verhältnis "stellten wir zurück". Das hieß: wir sahen uns alle 14 Tage am Wochenende in Solingen. Dort konnten wir uns freier bewegen. In der evangelischen Gemeinde Solingen-Wald war Pfarrer Dr. Hans-Walter Wolff, später Professor in Wuppertal, Mainz und Heidelberg. Er war der eigentliche Berater und Initiator in den Jahren unserer Ausbildung. Seine Predigten, die auch nach einer Stunde nicht langweilig wurden, sind uns in gutem Gedächtnis. Aber Wuppertal? Trafen wir uns am Landgericht und gingen in Richtung Hardt, "befahl" mir mein Mann: "Bleibe bitte zehn Meter hinter mir, da kommt jemand von der Mission, den muß ich grüßen." Händchenhalten oder eingehakt gehen war nicht möglich, denn auch in der Stadt konnte unerwartet jemand von der Rheinischen Missionsgesellschaft auftauchen. Niemand durfte "es" wissen. Wir sollten ja unser Verhältnis zurückstellen. Ein Jahr vor unserer "öffentlichen Verlobung" 1953, die von der Missionsgesellschaft genehmigt werden mußte, trugen wir in Solingen stets unsere Verlobungsringe. Mein Mann vergaß oft, den Ring montags in Wuppertal wieder abzustreifen. Das wäre manchmal schiefgegangen, wenn er ihn nicht spätestens auf dem Fußweg zur Hardt entdeckt hätte. SONNTAGSDIENST Zu dieser Zeit gab es den Sonntagsdienst für Seminaristen. Mein Mann hielt sonntags an den Nachmittagen Hausgottesdienste bei der unvergessenen lieben Familie vom Schemm in Westen in der Nähe von Ronsdorf. Von der Hardt aus war das für uns im Sommer ein Spaziergang. Die öffentlichen Verkehrsmittel waren damals noch nicht so umfangreich. Man stelle sich vor: Von der Hardt nach Unterbarmen bergab, bergauf zum Lichtenplatz, an den Kasernen vorbei bis zur Blutfinke, dann rechts ab bis nach Westen - eine Hofstatt zwischen Ronsdorf und Cronenberg. Zwei Stunden oder länger waren wir unterwegs. Um 16 Uhr hielt mein Mann Gottesdienst mit 30-40 Personen. Danach deckten wir mit unseren Gastgebern den Tisch zum Bergischen Kaffetrinken mit guten Gesprächen. Dann folgten die zwei Stunden Heimweg zurück zur Hardt und meine Zugreise zurück nach Solingen. Aber im Winter? Wir erlebten gottlob nur einmal, daß wir am Lichtscheider Wasserturm die total verschneite Straße nicht mehr fanden und feststellten, daß wir über das Dach eines VW-Käfers gingen. Wir verspäteten uns um fast eine Stunde. Die Hausgemeinde wartete auf uns. Herr vom Schemm sagte erfreut: "Die Missionswanzen sind anhänglich. Sie sind nicht kaputt zu kriegen." NICHTS OHNE ERLAUBNIS Im Prüfungsjahr 1954 schrieb ich täglich in einem kleinen Dachkämmerchen im alten Missionshaus die Examensarbeiten meines Mannes auf der Schreibmaschine, nachdem ich in Elberfeld schon sechs Stunden Unterricht im Seminat gehabt hatte. Dem Wunsch der Seminaristen, ein oder zwei Semester Theologie an einer Universität studieren zu können, wurde nicht entsprochen. Dies Glück hatten erst spätere Jahrgänge. Ein halbes Jahr war mein Mann Vikar in Bad Wildungen und ein halbes Jahr tat er Dienst mit vielen Reisen bei der Bild- und Filmstelle der Rheinischen Missionsgesellschaft. Ein kurzes Sommersemester lernte er die Anfänge der Namasprache am Missionsseminar in Hamburg. Von Hochzeit durfte noch immer nicht die Rede sein. Die war nicht erlaubt. Auch die gemeinsame Ausreise nach Namibio war nicht selbstverständlich. Sie mußte erst beantragt und genehmigt werden, weil für ein junges Ehepaar "kein Platz" war in den großen Missionshäusern. So besuchte ich damals noch einige Wochen die Bibelschule der Rheinischen Mission. AUF DEM WEG Dann endlich - am 15. Juli 1955 - feierten wir Hochzeit. Nun mußte alles schnell gehen; der Umzug von Solingen nach Barmen mit allem gestapelten Hausrat. Das Packen der Seekisten ging schnell, weil wir nur Länge und Breite und Höhe meiner Kartons zu addieren hatten. um die Größe der Kisten zu berechnen. Zwischendurch hieß es Abschied nehmen von den Gemeinden und Familien. Es stand ja eine lange Trennung bevor, weil der erste Heimaturlaub erst nach zehn Jahren erlaubt war. Würden wir da unsere Eltern und Verwandten noch wiedersehen? - Im Abschiedsgottesdienst in der überfüllten Unterbaremer Hauptkirche gab uns Herr Dr.. Müller-Krüger das Wort aus 1. Samuel 10, 7 mit auf den Weg: "Tu, was dir vor die Füße kommt, denn Gott ist mit dir." Die gute Predigt und dieses Bibelwort sind auch heute noch Wegweisung für mein Leben. Am 19. September 1955, nach fast neun Jahren Studium, wurde mein Mann in Solingen-Wald ordiniert. Zwei Tage später ging die große Reise -unsere Hochzeitsreise- los: von Barmen über Belgien nach London (4 Tage Aufenthalt), dann mit der "Stirling Castle" von Southsampton nach Kapstadt (20 Tage, denn eine Flugreise war damals zu teuer). und am nächsten Tag mit der Eisenbahn 3 Tage und 3 Nächte durch die Karoo-Wüste nach Lüderitzbucht. Lieselotte Roßkothen Postanschrift: WESTKOTTERSTR. 175 42277 Wuppertal
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