Wie wir als Christen Sterbende begleiten?! | Artículo Nº 158 | Lugar/Ort:Gemeindeblatt | Fecha/Datum:1996 | | Resumen/Skopus: | | Wie wir als Christen Sterbende begleiten?: Als Sterbende sind hier die Menschen gemeint, denen der Arzt, ihnen selbst oder ihren Angehörigen, klar und deutlich gesagt hat, daß hier vom medizinischen Standpunkt aus für sie in ihrer Krankheit keine Hilfe mehr möglich sei, der Prozeß des Sterbens sich aber vielleicht noch Wochen oder Monate, ja Jahre, hinziehen könne, aber das Ende des menschlichen Lebens, der Tod, sei bereits erkennbar. Es ist nun ratsam, das Verständnis des Sterbens in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Das bedeutet, daß wir erkennen, daß das Sterben Teil des Lebens ist, das uns von unserem Schöpfer gegeben worden ist und das mit dem Tode endet. In diesem Leben von der Geburt bis zum Tode sind wir für unser Tun und Lassen verantwortlich. Und das ist ja das Große und Herrliche, daß Jesus Christus uns für diese unsere begrenzte Lebenszeit die Hilfen darreicht, die wir nötig haben, um unsere Aufgaben auszuführen, um unser Leben im Sinne unseres Schöpfers zu meistern. Als Christen glauben wir, daß eine der größten Hilfen die Möglichkeit der gegenseitigen Vergebung unserer Schuld ist, durch die wir unser Leben immer wieder neu beginnen dürfen. Wenn diese begrenzte Lebenszeit nicht so verläuft, wie es für uns vom Schöpfer geplant worden war, dann kommt es oft daher, daß diese Hilfen von uns persönlich oder von den verschiedenen Gewalten und Mächten dieser Welt in den Wind geschlagen und mit den Füßen getreten wurden. Jedenfalls ist dieses menschliche Leben, begrenzt durch Geburt und Tod, uns als die Zeit der Bewährung gegeben worden, auch mit der Möglichkeit, uns unseres Lebens zu freuen. Aber es ist und bleibt auch eine Tatsache, daß es vom 1. Atemzuge an ein abruptes Gefälle hin zum Tode hat, und zwar so stark, daß gesagt werden muß, daß jeder Mensch ein Sterbender ist, kein Mensch bleibt vom Tode verschont. Er kann bei einem jeden einzelnen von uns schon im nächsten Augenblick eintreten. Es wäre schon eine gute Sache, wenn wir alle uns etwas mehr als bisher mit der Realität des Todes auseinandersetzen würden, vielleicht würde das die beste Vorbereitung zur Begleitung eines Sterbenden sein. Wir würden dann auch viel besser das Geschenk unseres menschlichen Lebens mit seinen Aufgaben und seinen Freuden erkennen und es ausleben und die Hilfen, die uns Jesus Christus an die Hand gibt, in Anspruch nehmen und dankbar werden für unsere Existenz in den gegebenen Grenzen. Selbverständlich dürfen und sollen wir alles tun und alles in Anspruch nehmen, was uns dieses Leben erhält und was uns unser eventuelles Leiden erträglich macht. Allerdings wollen wir Menschen mehr, als was uns erlaubt ist. Wir suchen diese beiden Grenzen in unsere Gewalt zu bekommen und darüber zu verfügen. Obwohl es uns gelungen ist in den letzten Jahrzehnten, unsere Todesgrenze weit hinauszuschieben, ist es uns nicht gelungen, diese Grenze selbst aus der Welt zu schaffen. Leider sind wir in unserem Übermut und Unverstand dabei, vielen Menschen dieses vom Schöpfer geschenkte Leben durch Kriege, Hunger, Krankheiten und Ausbeutung der Naturkräfte zu rauben oder zu verkürzen. Für den, der auf der Seite des Lebensfürsten Jesus Christus steht und sich von ihm die Maßstäbe seines Lebens hat geben lassen, gilt nicht das, was jetzt von vielen gesagt wird, daß der Tod vor uns Menschen steht wie ein nicht zu übersteigender Berg oder wie ein tiefer Abgrund oder eine nicht durchzuschauende Finsternis, auch nicht wie ein himmlisches Schlaraffenland oder wie eine grausame und entsetzliche Unterwelt oder wie ein in Nichts sich auflösendes Gewesenes. Alle bestehenden Religionen und Weltanschauungen sind von solchen Anschauungen geprägt, selbst da, wo unser Glaube an Jesus Christus bloß zu einer Religion herabsinkt, sind diese angeführten Merkmale erkennbar. Vielleicht muß auch jeder Christ sich mit seinem eigenen Bilde vom Tode und was danach kommt auseinadersetzen. Hier tut es gut, uns daran zu erinnern, was wir durch unseren Herrn Jesus Christus in all diesen Fragen wissen: 1. Es geht zuerst immer um unser Tun und Lassen und Reden in diesem unseren menschlichen Leben in seinen beiden Grenzen, im Sinne des Tuns und Redens unseres Herrn. 2. Der Tod ist wirklich und wahrhaftig der Abschluß dieses unseres menschlichen Lebens, an dem nicht gerüttelt werden kann. 3. Was im Tode oder nach dem Tode geschieht, ist unserem Wissen und unserer Kenntnis in diesem Leben vollkommen entzogen. Wir können darüber keinerlei Aussagen machen. Das alles liegt ausschlielich und allein in den Händen des, der, als er nach seinem Namen gefragt wurde, antwortete: "Ich bin, der ich bin!" oder auch: "Ich werde sein, der ich sein werde!" 4. Was nach dem Tode geschieht und wie alles sich dabei gestalten wird, ist unserem Wissen entzogen, obwohl wir uns darüber viele Gedanken gemacht und Träume haben. Das gilt selbst bei Aussagen der Heiligen Schrift, die nicht mehr als Beispiele für eine nicht verstandene Wirklichkeit sein können und wollen. Auch viele Kirchenlieder sind von einer solchen Träumerei und einer großen Sehnsucht erfüllt, mehr wissen zu wollen als uns zusteht. Auf dieses alles ist kein Verlaß, da bisher keiner von uns Menschen aus dem Tode in das irdische Leben zurückgekehrt ist. Die hier und da auftauchenden Notizen können nicht als wahre Zeugnisse gelten. Was wir allerdings haben und was uns eine grosse Hoffnung für unser Ende gibt, ist das Zeugnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus von der Auferstehung von den Toten. Er hat sie uns nicht nur bezeugt, sondern sie in seinem eigenen Tode erfahren. Und dieser auferstandene Herr gibt uns, die wir hier auf Erden an seiner Seite stehen, die wir hier nach seinem Worte fragen, diese frohe Gewißheit und Hoffnung, daß auch wir diese Auferstehung von unserem Tode erleben werden. Uns hat Jesus Christus das Versprechen gegeben: "Ich lebe und ihr sollt auch leben!" Wir dürfen uns auf dieses Versprechen voll und ganz verlassen und uns auf die Erfüllung dieses Versprechens freuen, so wie es der Seher Johannes tat, als er ausrief: "Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der erste Himmel und die erste Erde verging," auch hörte er die Stimme seines Herrn: "Siehe, ich mache alles neu!" Wir dürfen uns jetzt schon auf diese neue Schöpfung freuen, ohne zu träumen und sollen an die Gestaltung unseres jetzigen irdischen Lebens im Sinne unseres Herrn und Heilandes gehen, wie er es gewollt hat. In diesem Rahmen und mit diesem Hintergrund wollen wir nun zu verstehen suchen, was es bedeutet, Sterbende zu begleiten. Als Sterbende verstehen wir die, so haben wir es am Anfang ausgedrückt, die krank sind und vom Arzt bestätigt bekommen haben, daß es keine Heilung gibt und das Lebensende abzusehen ist. Die Aufgabe, einem Sterbenden in seiner letzten Zeit beizustehen, kann uns alle einmal gegeben werden, wenn ein eigener Familienangehöriger von solch einem Leiden zum Tode überfallen wird, und er im Familienkreise zu liegen kommt. Wenn alle Aussichten auf Heilung verschwunden sind und die nötigen Maßnahmen zur Linderung des Leidens zu Hause möglich sind und die Wohnung und das Familienleben und die sonstigen Umstände es gestatten, ist der beste Ort für den Kranken seine Familie, seine Hausgemeinschaft und seine altgewohnte Umgebung. Eigentlich sollten dann alle zur Familie Gehörenden bereit sein, die bestmöglichste Hilfe dem Leidenden zu gewähren. In einem Krankenhaus könnte man vom Pflegepersonal und vom Arzt eigentlich erwarten, daß sie auch die Bereitschaft dafür aufbringen, was allerdings heute bei dem geringen Personal und der daraus folgenden Arbeitsüberlastung kaum noch praktiziert werden.kann. Auf jeden Fall sollten die nächsten Familienangehörigen oder auch andere Verwandte oder Bekannte dem Leidenden niemals das Gefühl geben, daß er schon zu Lebzeiten abgeschoben und abgeschrieben und vergessen ist. Der Kranke soll wissen, daß sie bereitstehen, ihm zu helfen und ihn nicht allein lassen. Wir wissen, daß Menschen, die sich mit der Realität des Todes, besonders des eigenen Todes, nicht fertiug werden oder sich noch nicht auseinandergesetzt haben, nur schwer in der Lage sind, einem Todkranken helfend und tröstend zur Seite zu stehen. Das gilt nicht nur für die nächsten Angehörigen, sondern auch für Ärzte, Seelsorger und Pflegepersonal. Aus diesem Grunde herrscht in vielen Sterbehäusern oder an Krankenbetten in Krankenhäusern eine etwas gespannte Atmosphäre, in der alle getan wird, damit der Leidende nichts von seiner wahren Krankheitssituation erfährt. Man fürchtet sich davor, dann selbst in ein Gespräch über den Tod hineingezogen zu werden, einem Problem, dem man selbst vielleicht bisher immer ausgewichen ist. Indem man aber dem Kranken die Schwere seines Leidens verschweigt, verhindert man, daß die letzte Epoche seines Lebens als ein Geschöpf Gottes und als ein Christ durchlebt, sein Leben in Ordnung bringt und getrost seine Augen schließen kann. Wieviele Eheleute zum Beispiel, die in ihrer ganzen Lebenszeit sich immer die volle Wahrheit gesagt haben, durchleben diese letzte Zeit ihres Zusammenseins mit und unter einer Lüge und verhindern dadurch ein Abschiednehmen in Liebe und Verehrung. Es ist klar, daß man bei diesem Sagen der ganzen Wahrheit über die Schwere der Krankheit sehr behutsam vorzugehen hat und nicht "mit der Tür ins Haus fallen" darf. Eine kleine Tür der Hoffnung muß noch immer offen gehalten werden. Unter Umständen kann auch ein Seelsorger herangezogen werden oder der Arzt, der eigentlich dafür zuständig ist oder auch eine andere vertrauensvolle Person. In vielen intensiven Gesprächen mit Sterbenden wurden verschiedene besonders geprägte Epochen festgestellt, die ein Mensch zu durchstehen hat von dem Zeitpunkt an, da er Kenntnis erhielt, daß die Grenze seines Lebens in absehbarer Zeit erreicht sein wird. Diese beobachteten Zeiten stellen das Loslassen eines Menschen seiner Lebensgewohnheiten, seiner Ehegefährtin oder seines Ehegefährten, seiner Familie, seines Berufes, seiner Erfolge oder auch seiner Niederlagen dar. Dieses Loslassen ist immer mit Problemen und seelischen Nöten verbunden, bei Christen wie bei Nichtchristen in einer ähnlichen Weise. Also auch ein Christ muß durch solche Anfechtungen hindurch. Wenn auch eine gewisse Reihenfolge im Prozeß des Loslassens festgestellt werden kann, muß es doch nicht bei jedem Kranken gleich sein. Einzelne Stadien werden vielleicht übersprungen oder andere wiederholen sich, die einen werden vielleicht leichter überstanden als die übrigen. Das Wissen um das, was mit dem uns anvertrauten und geliebten Todkranken geschieht, will und kann uns helfen, besser auf ihn einzugehen und ihm nahe zu sein. 1. Die erste Zeit nach der Kenntnisnahme der Ausweglosigkeit in seiner Krankheitsnot, in der er normalerweise noch im vollen Leben steht, ist meist ausgefüllt durch Aufsuchen anderer Ärzte und Krankenhäuser mit weiteren medizinischen Untersuchungen und Analysen, weil im letzten Grunde der Kranke es nicht glauben kann und nicht glauben will, daß es so schlimm um ihn steht. Er denkt und hofft auch, daß sein Arzt sich geirrt habe oder irgendeine Untersuchung noch nicht durchgeführt wurde oder auch, daß Analysen und Röntgenaufnahmen vertauscht worden sind. Jeder Mensch ist verantwortlich für sein Leben, auch in der Krankheit. Er hat ein gewisses Recht, selbst zu erfahren, wie es um ihn steht, zumal ja Irrtümer durchaus möglich sind und vielleicht neue Heilmethoden bekannt werden. 2. Wenn allerdings der Kranke sich von der Unheilbarkeit seines Leidens und der Unausweichbarkeit des nahenden Endes seines Weges auf dieser Erde hat überzeugen müssen, beginnt seine schwerste Zeit, die natürlich ebenfalls zur schwersten Zeit für alle wird, die ihm nahe stehen und ihm helfend zur Seite stehen. Es beginnt die Zeit der Auflehnung und der Rebellion gegen sein Los. Er hadert mit Gott und mit der Kirche, und mit der ganzen Welt, natürlich auch mit seinen Lieben: Warum denn gerade ich? Ihm macht niemand etwas recht. Er nörgelt über alles und jedes. Er schimpft über die Besucher und über die, die ihn noch nicht besucht haben. Besonders schwer haben es in dieser Zeit die Personen, die durch die Erkrankung mitten aus ihrem vollen Leben herausgerissen wurden, in der sie eine führende Rolle gespielt haben. Helfen können wir solchen Kranken nur dadurch, daß wir seine Worte und Taten, die emotionell geladen sind, nicht persönlich nehmen, auf seine berechtigten Beschwerden hören und seine Wünsche zu erfüllen suchen. Moralische und religiöse Aufforderungen und Drohungen und Mahnungen sind vollkommen fehl am Platze. Hier allein hilft uns die Liebe, die uns Jesus Christus vorgelebt hat. 3. Diese schwierige Epoche geht langsam, fast zuerst unbemerkt, in eine Zeit über, da der Kranke, wenn auch noch nicht in völliger Übereinstimmung mit seiner Situation, doch bereits mit ihr rechnet. Er rebelliert nicht mehr. Aber insgeheim kämpft er jetzt um jeden Tag, der ihm noch bleibt. Ihm soll in dieser Zeit jede noch mögliche Freude am Leben bereitet oder erhalten werden. Es ist die Zeit, da erwünschte Besuche empfangen, Rentenansprüche, Familienangelegenheiten und eventuell auch die Erbschaft geregelt werden. Es ist die Zeit der Versöhnung und Vergebung im Verhältnis zu Gott und Menschen. In Übereinstimmung mit dem Kranken wäre jetzt auch ein Hausgottesdienst im Kreise der Familie und des engeren Freundeskreises am Platze, vielleicht in Verbindung mit der Feier des Heiligen Abendmahles als Stärkung für uns Christen auf unserem Lebensweg. Wir dürfen es ja nicht vergessen, daß auch das Sterben eines Menschen ein Stück seines Lebens ist, geschenkt von seinem Schöpfer. Hatte der Kranke in dieser Zeit die Möglichkeit, alles zu regeln und zu ordnen, was zu regeln und zu ordnen war und weiß er seine Familie nach seinem Tode versorgt, wird für ihn die nun folgende Epoche bedeutend 4. leichter zu überstehen sein, die als die Zeit der DEPRESSION verstanden wird. Der Kranke hat es verstanden, daß seine Tage gezählt sind. Er spürt, daß ihm die Kräfte schwinden. In einigen Fällen wurde in dieser Epoche auch eine gewisse Lebensmüdigkeit festgestellt, weil ihm alles zuviel wird, die Schmerzen zunehmen. Er ist nicht mehr fähig, irgendetwas zu unternehmnen oder zu planen. Alles Ungeregeelte oder Versäumte kann nicht mehr nachgeholt werden. Es kann dieses alles nur unter dem Aspekt der Vergebung gesehen werden. Langsam löst sich der Kranke von seinem alltäglichen Leben mit den dazugehörenden Aufgaben und sein Blick und seine Gedanken richten sich auf das Neue, das ihn erwartet, das besonders durch das, was ihm der christliche Glaube in seinem Leben bezeugt hat, geporägt ist und das durchaus verschiedene Aspekte aufweist. Jetzt wird er auch empfänglich für die Botschaft von der Auferstehung der Toten als Trost und Hoffnung mitten im Sterben. In dieser letzten Zeit sollten möglichst alle Unruhen, Geschrei und Lärm und lieblose religiöse Einflußversuche ferngehalten und alle medizinischen Manipulationen, das Sterben jetzt noch aufzuhalten, gestoppt werden. Alles das würde nur erschweren oder sogar verhindern, diese Welt bewußt loszulassen. Allerdings unter keinen Umständen kann das darunter verstanden werden, daß aktive Sterbehilfe, das heißt Euthanasie, ausgeübt wird, wie es nach der heutigen Zeitungsmeldung in Australien erlaubt wird. Solches Tun ist nach meiner Meinung nicht in Übereinstimmung mit unserem christlichen Glauben. In der letzten Zeit wird der Kranke auch keine langen Gesprüche führen, seine körperlichen und geistigen Kräfte lassen rapide nach. Aber er wird es dankbar spüren, daß er wirklich nicht allein gelassen ist, wenn seine nächsten Angehörige still bei ihm sitzen und ihm die kleinen Handreichungen leisten oder seine Hand halten. Und dann kommt der Zeitpunkt, da wieder ein Mensch, diesmal ein uns lieber Nahestehender sein irdisches Leben in den vom Schöpfer festgesetzten Grenzen vollendet hat. Und die, die mit Rat und Tat und konkreter Hilfe ihm beigestanden haben, was meistens auch für sie mit großen Mühen verbunden war, können wissen, daß dieser liebende Dienst nicht umsonst gewesen ist. Oft brauchen auch sie nach diesem anstrengenden Dienst Erholung und Hilfe. Karl Schwittay 27-9-1996
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