Pfarrer Karl Schwittay-65 Jahre-ein Gespräch mit P.B.Knoblauch | Dialog mit Br. Knoblauch Nº 104 | Lugar/Ort:Ituzaingó/Buenos Aires | Fecha/Datum:1982 | | Resumen/Skopus: Gespräch zwischen P. Schwittay und P. B. Knoblauch 1982 | | Lieber Bruder Herr Karl Schwittay, Sie vollenden am 21. Juni Ihr 65. Lebensjahr und somit auch eine lange Tätigkeit in unserer Kirche. Im Auftrage unseres Gemeindeblattes, möchte ich mit unserem Gespräch ein paar Gedanken und Erinnerungen anknüpfen: -Wie kam es, daß Sie sich für die Sache des Evangeliums entschieden? Seit meiner Jugend, in einer Arbeiterfamilie, und in einem bürgerlichen Beruf, ließ mich dieser Jesus von Nazareth nicht los, der sich zuerst für mich entschied, und mir damit von Anfang an die Möglichkeit gab, mich mit den Versuchungen der damaligen Zeit: Kommunismus, Nationalsozialismus und Nihilismus auseinander zu setzen und ihnen zu widerstehen. Von dieser Entscheidung Jesu erfuhr ich durch die Bibelarbeit, besonders am Römerbrief im Evangelischen Jungmännerwerk in meiner Heimatstadt in Gelsenkirchen, und in den Gottesdiensten meiner Heimatgemeinde. Es war nicht immer leicht, als Antwort auf diese Entscheidung Jesu meinerseits Entscheidungen in den folgenden Lebenssituationen zu fällen, - dazu gehörte auch die Entscheidung, Pfarrer zu werden -, die mich vollständig aus meinen bisherigen Lebensvorstellungen herausrissen. -In welcher Weise hat der 2. Weltkrieg zunächst ihr Studium und dann ihre Pfarrertätigkeit geprägt? Durch das Leiden in und am Krieg in seinen vielen Formen - er hat mich sieben Jahre meines Lebens gekostet: fünf Jahre als Soldat und 2 Jahre Kriegsgefangenschaft - ist mir deutlich geworden, daß wir als Menschen von heute immer mehr in dem Rhythmus des modernen, persönlichen, beruflichen, gesellschaftlichen und nationalen Lebens eingespannt sind, daß es fast unmöglich erscheint, davon auszubrechen, was oft verhindert, dem Wort und Anspruch Jesu gehorsam zu sein. Darum ist heute in besonderer Weise darauf hinzuweisen, daß der Verkündigungsauftrag nicht nur dem Einzelnen gilt, sondern auch dahin gehen muß, daß diese persönlichen, beruflichen, gesellschaftlichen und nationalen Gegebenheiten, in denen wir gebunden sind, verändert werden. -Wie kam es, daß Sie und Ihre Frau Esther geb. Meier sich entschieden, nach Argentinien, zu unserer damaligen "Deutschen Evangelischen La Plata-Synode" zu kommen? Unsere Pläne der Übernahme eines Dienstes gingen nach Namibia, Südwestafrika. Als sich das zerschlug, eilten unsere Gedanken nach Brasilien, aber durch einen persönlichen Kontakt mit dem damaligen Propst Marczynski der "Deutschen Evangelischen La Plata-Synode" im Kirchlichen Außenamt kamen wir vor 27 Jahren nach Argentinien. Wann und wo übernahmen Sie eine Gemeinde? Am Himmelfahrtstage 1955 übernahm ich die Gesamtgemeinde "General Alvear" in Entre Ríos, Argentinien, die damals aus sieben Teilgemeinden bestand. Könnten Sie uns kurz die verschiedenen Etappen des Gemeindelebens, sowie Freude und Leid dieser Jahre schildern? Zu den Etappen: 1. Das Verstehenlernen der Gemeinde- und Kirchensituation in einem bisher unbekannten Land. 2. Eine intensive Bibelarbeit, um mit der Gemeinde die Aufgaben eines Christen unserer Gemeinde und unserer Kirche zu erkennen, alles unter dem Aspekt "Gott lieben und seinen Nächsten wie sich selbst". 3. Die Zeit, in der wir 5 Kirchen bauten. 4. Die Zeit, in der wir versuchten, zu verstehen, was in der römisch-katholischen Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil aufgebrochen ist. 5. Die Zeit, in der wir wir intensiv nach Recht und Möglichkeit der Wissenschaft und Technik fragten, als die ersten Satelliten über unsere Köpfe flogen und die Berichte über immer neue Erfindungen sich überstürzten. 6. Die Zeit der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, der unser Land hart anging. 7. Die Zeit, da wir uns als Gemeinde in besonderer Weise der Leprakranken in Verbindung mit der "Deutschen Wohltätigkeitsgesellschaft" verantwortlich wußten. 8. Die Zeit, da große Teile unserer Gemeinde in den "Ligas Agrarias Entrerrianas" mitarbeiteten, weil sie in ihnen ein öffentliches Sprachrohr für die Lösung ihrer Probleme und Nöte als kleine und mittlere Bauern fanden. 9. Die Zeit, da wohl intensiv die Verantwortung für die Jugend gesehen wurde und die Gemeindearbeit bestimmten, aber das geplante Jugendzentrum in Reffino sich zerschlug. 10. Die Zeiten, da Krieg und Kriegsgeschrei auch nicht vor den Pforten der Kirche halt machten, und halt machen. Die Freude an der ganzen Arbeit war, daß wir immer wieder sehen konnten, daß es Einige gab, die sich für diese Arbeit mitverantwortlich wußten. Erschrocken mußte festgestellt werden, daß besonders viele am Rande des Gemeinde lebende Christen nur zu oft eine fruchtbare Gemeindearbeit bremsten oder hinderten. -Nun möchte ich die vorhergehende Frage auch an Ihre Frau stellen. Pfarrfrauem haben ja ein besonderes und oftmals tieferes Erlebnis der Freude und Leiden, gerade an dem Ort, wo Gemeinde und Pfarrhaus sich überschneiden? Ein Punkt, den ich noch erwähnen möchte, sind die vielen Jahre, die wir in derselben Gemeinde blieben. Es war für uns wichtig, besonders als Ausländer, dass wir unseren Kindern einen Ort bieten konnten, wo sie auch durch Schule und Erziehung eine gewisse Wurzel fassen konnten. Zum anderen war das Mitleben in dieser bäuerlichen Umgebung ein Zusammenleben, das eine gewisse Anlaufzeit benötigte, vor allem um etwas in der Gemeinde zu unternehmen. Dieses Zusammenleben ist gewiß nicht dasselbe wie in der Stadt, wo man eigentlich als Pfarrfamilie anonym bleibt. Natürlich könnte man Leid und Freude im Einzelnen weiter ausführen. Auf jeden Fall, als Pfarrfrau nimmt man alles viel emotionaler auf. (Schwittays haben 4 Kinder, Ruth, verheiratet mit Ing. Agr. Hector Peil, Joachim, Ruben und Paul) Als Pfarrer unserer Kirche haben Sie auch an Entwicklung und Entstehung der "Evangelischen Kirche an La Plata" mitgewirkt. Z.B. die Fassung des Grundartikels, Nr.2, der Statuten. Welche sind nach Ihrer Meinung die Hauptprobleme, die in unserer Kirche in Ihrer Amtszeit zu bewältigen waren? Das Hauptproblem ist und bleibt die Kirchwerdung der Deutschen Evangelischen La Plata Synode. Wir können diese Kirchwerdung an verschiedenen Punkten verfolgen; a) das Herausbrechen aus dem Ghetto einer völklich bestimmten Gruppe. b) die Öffnung zur spanischen Sprache. c) das Ja zu einem hier auszubildenden Pfarerstand, d) die volle Bejahung dieses Pfarrerstandes in fruchtbarer Zusammenarbeit mit den aus Deutschland ausgesandten Pfarrern, e) die bekenntnismäßige Standortbestimmung unserer Kirche im Kreise der anderen Kirchen und religiösen Gruppen, f) die Aufgaben zu erkennen und anzupacken, die uns heute von Jesus Christus vor die Füße gelegt werden. -Und welche sind nach Ihrer Meinung die besonderen Aufgaben, denen unsere "Evangelische Kirche am La Plata" sich im Blick auf die Zukunft stellen muß? Zum großen Teil sind es die oben angeführten Aufgaben, die weiterzuführen sind. In besonderer Weise aber der letzte Punkt, daß wir fragen, was Jesus Christus von uns heute erwartet, und wir alles daransetzen, diesen Auftrag auszuführen. -Vielen Dank, Bruder Schwittay! Noch eine letzte Frage und jetzt persönlich: Sie gehen in den Ruhestand! Das bedeutet, daß wir die erste Zeit dazu benutzen, uns klar zu werden, was Ruhestand heißt, Und die weitere Zeit? Die weitere Zeit wird von der Ersten beantwortet. Vielen Dank, vielen, vielen Dank für dieses Gespräch und für Ihren und Ihrer Familie Dienst unter uns! Pfr. Bruno Knoblauch Evangelisches Gemeindeblatt
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