Brief an Dr. Steward Hermann | Documento Nº 038 | Lugar/Ort:Aldea Protestante | Fecha/Datum:1959 | | Resumen/Skopus: Das Verhältnis zum Lutherischen Weltbund! -24-6-1959- | | Aldea Protestante, den 24. Juni 1959 Herrn Dr. Stewart W. Hermann 50 MADISON AVE., New York Lieber Bruder Hermann, recht herzlichen Dank für Ihren Brief vom 18. Februar mit dem Bericht aus der Zeitschrift "The International Review of Missions" von Dr. Schiotz. Mir ist die Sicht von Dr. Schiotz, wie er sie in diesem Aufsatz zum Ausdruck bringt, durchaus bekannt gewesen. Und ich würde auch niemals die persönliche Lauterkeit von Dr. Schiotz oder anderer Vertreter des Lutherischen Weltbundes anzweifeln wollen. Allerdings ist das unbestreitbar, daß überall da, wo Hilfe angeboten wird, umbewußt sofort die Gefahr der Machtausübung gegeben ist. Wenn wir alle Hilfsaktionen in der Welt uns ansehen, weltlicher oder kirchlicher Art, dann bleibt dieses wirklich als eine offene Frage: Wo gibt es noch Hilfe um Christi willen, also bedingungslose Hilfe, Hilfe ohne Macht- bzw. Gewaltausübung?? Von dem, der hilft, wird bei einem rechten Geben nicht nur kein Streben nach Machtausübung erwartet, sondern es wird um Christi willen erwartet, sich sogar gegen die Gewährung von Macht und Herrschaft zu wehren, die ihm der Geholfene aus Dankbarkeit meint entgegenbringen zu müssen. Ich bin mir durchaus bewußt, daß das von menschlicher Seite aus nicht möglich ist. Wo dieses echte Geben Wirklichkeit wird, da ist es ein persönliches Handeln Gottes, ein Wunder, wie die Hinwendung eines Menschen aus der Feindschaft gegen Gott in die Kindschaft Gottes. Ich will es dem LWB durchaus nicht absprechen, ja, ich bin sogar fest davon überzeugt, daß sich ein solches Wunder hier und da durch seine gegebenen Hilfen ereignet hat. Daß es sich allerdings immer ereignet hat, das wage ich nicht zu sagen, da sonst die leitenden Männer des LWB mehr als Christen sein müßten, die doch auch nur Menschen "simul justus et simul pecator" sind. Dazu kommt noch die andere Gefahr, daß der, der Hilfe nötig hat, diese Hilfe nicht nur in Anspruch nimmt, ganz gleich, wo sie herkommt, sondern daß der Bittende sogar bereit ist, vorsorglich das Partei- bzw. Vereinsabzeichen bzw. einen besonderen Anzug anzulegen, wovon er ganz genau weiß oder fest erwarten kann, daß dieses Abzeichen oder dieses Mäntelchen die Aussicht auf Hilfe vergrößert. Und ich bin mir durchaus auch bewußt, daß es jedesmal ein Wunder ist, wenn ein Hilfeschrei von einem Hilfesuchenden ausgestoßen wird, der nur eine Adresse hat: Jesus Christus! und von ihm allein die Hilfe erwartet, und zwar die Hilfe, die Jesus Christus ihm zugedacht hat und kein anderer und dazu nichts darnach fragt, wen der Herr mit dieser Hilfe beauftragt und darum auch nicht nötig hat, sich dem mit der Hilfe Beauftragten anzupassen. Meine persönliche Überzeugung ist, daß im Falle der Batakkirche sowohl von Seiten des LWB als auch von Seiten der Batakkirche dieses Wunder nicht geschehen ist. Es ist doch eine nur sehr vage Erklärung, daß die Batakkirche eine selbständige Kirche geworden war und selbst entscheiden konnte und daß einer Bitte einer selbständigen Kirche gegenüber der LWB sich nicht entziehen dürfe. Das ist ähnlich, wie ich es hier von einem Pfarrer der kongreg. Synode erlebte, der vor meinem Dienstantritt in der langen Pfarrvakanz der Gesamtgemeinde von einer Filialgemeinde um einen Gottesdienst gebeten wurde und bei dieser Gelegenheit ging die Hälfte der Gemeinde zur kongr. Synode über. Auf mein späteres Fragen antwortete mir dieser Pfarrer: Eine evangelische Gemeinde ist in ihren Entscheidungen selbständig und frei und ich als Pfarrer gehe dahin, wohin man mich ruft und wo man mich braucht. Wer will die Wahrheit dieses Satzes ableugnen --- und doch ......... Und nun sehen Sie einmal, unsere La-Plata-Synode steht heute in der ähnlichen Versuchung, wie damals die Batakkirche. Auf der einen Seite der LWB, der die notwendigen Mittel hat, um unseren Dienst besser auszurichten und vielleicht auch bereit ist, diese Hilfe zu geben, zumal damit die Stärkung des Weltluthertums im Süden Lateinamerikas verbunden wäre und auf der anderen Seite unsere Evangelische La-Plata-Synode in ihren mannigfachen Nöten, die hier und da auch schon bereit ist, um der Hilfe willen, um einer großzügigen Hilfe willen, das Kleid des LWB anzuziehen, zumal auch sie dadurch nicht nur finanziell gewinnen würde. Verstehen Sie mich recht, das alles wäre an und für sich noch nicht schlimm, wenn uns dieses Kleid passen würde. Aber es paßt uns nicht. Wir sind nicht, wie die lutherische Presse in Deutschland in neuerer Zeit (z.B. "Minneapolis 1957 "Das große Treffen des Weltluthertums (?)- Seite 63 und "Auf Luthers Spuren in Amerika" S. 74) hinausposaunt, eine lutherische Synode mit lutherischen Christen, sondern wir sind eine evangelische Synode mit evangelischen Christen. Alle anderslautenden Versuche ändern nichts daran, daß unsere Synode in der "Evgl. Kirche der altpreußischen Union - heute Evangelische Kirche der Union in Deutschland" sowohl geschichtlich als auch lehrmäßig begründet ist. Das zeugen heute ganz klar die Statuten unserer Synode. Unsere Grundlage sind die Bekenntnisse der Reformation (lutherischer und reformierter Prägung) - und nicht wie beim LWB die Bekenntnisse der lutherischen Kirche. Es heißt nach "Minneapolis 1957" Seite 34/35: Der LWB betrachtet die Bekenntnisse der lutherischen Kirche, insbesondere die unveränderte Augsburger Konfession und Luthers Katechismus als unverfälschte Auslegung des Wortes Gottes. -- Auf Seite 34 heißt es dazu: Nur solche Kirchen können seine Mitglieder sein, die auf dem Boden des lutherischen Bekenntnisses stehen. An der Grundlage unseres Bekenntnisses wird dabei auch nichts geändert, wenn die CA und der Kleine Katechismus herausgestellt wird, denn gleichzeitig wird gesagt, daß die besondere Charakteristik unserer Synode darin besteht, daß Gemeinschaft, kirchliche Gemeinschaft, besteht mit den reformierten Gemeinden, in denen der Heidelberger Katechismus gilt. Im Vertrag mit der Evgl. Kirche in Deutschland vom 23. Februar/15. März 1956 heißt es außerdem weiter: Paragr. 4 Abs. 2 "Ihre Gemeinden lassen unbeschadet ihres Bekenntnisstandes und ihrer Ordnung alle Angehörige der in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnisse zu voller Mitgliedsschaft in der Gemeinde zu." Wir haben in unserer Synode volle Kirchengemeinschaft, Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen lutherischen, unierten ( in denen lutherische und reformierte Filialgemeinden zu einer Gesamtgemeinde zusammengeschlossen sind) und reformierten Gemeinden. Die Bekenntnisse beider Kirchen haben volles Heimatrecht in unserer Synode, wenn auch nicht im Sinne einer Consensunion, so doch im Sinne eines Korrespondnzverhältnisses wie in den Evangelischen Kirchen der Union in Deutschland. Die verschiedenen Akzentuierungen werden nicht als kirchentrennend angesehen. Auf diese Tatsache unserer Synode als eine Kirche der Union hat der verstorbene Propst Marczynski in einem in spanischer Sprache verfaßten Aufsatz hingewisen. Dieser Aufsatz wurde von unsrr Synode vervielfältigt. Dort heißt es an einer Stelle: "El Sínodo es por lo tanto, una iglesia unida, en la cual las congregaciones luteranas y reformadas mantienen comunidad de vida eclesiástica y de comunión." Und unser jetzige Vorsitzende, Propst Ostrowski, hat in einem Vortrag "Das Selbstverständnis einer Auslandskirche", der in der "Evangelischen Diaspora 27. Jahrgang, Heft 3 veröffentlicht wurde, unsere Bekenntnisgrundlage in folgender Weise im Anschluß an den Art. 3 unserer Statuten zum Ausdruck gebracht: (Seite 141/142) "Formulierung und Inhalt dieses grundlegenen Artikels weisen auf die geistliche Verbundenheit der Synode mit der Evangelischen Kirche in Deutschland, mit der Evangelischen Kirche der Union und mit dem Weltrat der Kirchen hin. Der konfessionelle Charakter unserer Kirche entspricht mehr oder weniger dem Bekenntnis der Evangelischen Kirche der Union. Nun ist es nicht unbekannt, daß dieser Bekenntnisstand in dem interkonfessionellem Gespräch innerhalb Deutschlands umstritten ist, zumal es sich bei den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche der Union nicht um konsensus-unierte Kirchen handelt. Jedoch muß man von einer Kirche deutscher Herkunft außerhalb Deutschlands nicht verlangen, daß sie theologische konfessionelle Probleme löst, die in der Mutterkirche noch zu den brennenden Gegenwartsfragen gehören. Wir können lediglich dadurch einen Beitrag zu diesem Gespräch liefern, daß wir unsere Lage beschreiben. UNSERE KIRCHE IST EINE EVANGELISCHE KIRCHE DER DEUTSCHEN REFORMATION. IN IHR SIND LUTHERANER, UNIERTE UND REFORMIERTE GLEICHBERECHTIGTE MITGLIEDER. Wie wir Gemeindeglieder aus allen deutschen Gauen haben und aus den deutschen Grenzländern in Europa neben den in Südamerika Geborenen oder dort seit Jahrzehnten Beheimateten, so gehören eben deshalb zu uns Gemeindeglieder, die aus allen Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland herstammen. Diese bunte Zusammensetzung, diese Vielfalt der kirchlichen Herkunft, ist Reichtum, ist Gabe und Aufgabe. Niemals hat sie zu Streit oder Schwierigkeiten zwischen den Gliedern der Einzelgemeinden oder innerhalb der Kirchenvorstände oder zwischen den verschiedenen Gemeinden geführt oder Anlaß zu unliebsamen Auseinandersetzungen im Synodalvorstand gegeben. Wir bekennen uns zu dem Grundsatz der konfessionellen Offenheit, der ökumenischen Weite und der christl. Toleranz. Wir verkennen nicht den großen Wert der verschiedenen überlieferten Bekenntnisse, aber wir halten sie nicht für kirchentrennend, sondern wir meinen, daß das unvermischte Beieinander des lutherischen und des reformierten Bekenntnisses innerhalb einer Kirche tragbar ist. In einem übersteigerten konfessionellen Bewußtsein sehen wir die Gefahr, aus Bekenntnisunterschieden Kirchenschranken zu machen. Die Gründung neuer Gemeinden strenger konfessioneller Observanz neben den bestehenden unierter Prägung -ob es sich um lutherische oder reformierte handelt- wäre für demn Bestand unserer Kirche ebenso verhängnisvoll wie die konfessionelle Aufspaltung. Wir halten jeden für schädlich, den lutherischen sowohl wie auch den unierten. Wir möchten an unserer konfessionellen Offenheit und ökumenischen Weite festhalten und uns in christlicher Toleranz üben. So wird unseres Erachtens dem einzelnen Gemeindeglied, den Gemeinden und der gesamten Kirche am besten gedient." Noch im Jahre 1955 hat der Vorstand der Deutschen Evangelischen La-Plata-Synode in einem Gegenantrag für die Synodaltagung in Esperanza 1955 den unierten Charakter der La-Plata-Synode bekannt: "Die Synodalversammlung wolle beschließen: Die Deutsche Evangelische La-Plata-Synode wünscht auch in Zukunft ihren jetzigen unierten Charakter zu erhalten und tritt deshalb dem lutherischen Weltbund nicht bei; sie bejaht aber die brüderliche Zusammenarbeit ......" (Gedruckter Bericht über die 19. Ord. Tagung 1956 Seite 15). Aber sicherlich sage ich Ihnen über unsere Bekenntnisgrundlage nichts Neues und will auf weitere Einzelheiten nicht eingehen. Nur eines möchte ich daraus folgern, daß die Mitgliedschaft unserer Synode im LWB ein zu enges Kleid für unsere bisherige und heutige Bekenntnisgrundlage ist. Alle Versuche von außen, uns dahinein zu bringen, bedeuten eine Verführung zum Aufgeben unserer Glaubensgrundlage und alle Versuche von innen bedeuten ein leichtfertiges Spielen mit dem Glaubensfundament unserer Synode. Unabhängig vom evtl. Verhalten einzelner Gemeinden, bzw. Amtsbrüdern würde für mich die MiTgliedsschaft unserer Synode im LWB der status confessionis eintreten, d.h. ich würde nicht mehr meinen Dienst hier tun können. Das, was in der Evgl. Kirche der Union in der Gemeinschaft zwischen Lutheranern und Reformierten und auch in der Auseinandersetzung zwischen lutherischen und reformierten Bekenntnisschriften Wirklichkeit geworden ist, daß nämlich lutherische und reformierte Gemeinden in einer Kirche verbunden sind, ist das, was unsere Synode geprägt hat -und auch mich- und ich halte dieses Geschenk des vollen gemeinsamen Miteinanders von Lutheranern und Reformierten für UNAUFGEBBAR. Und ich sehe dieses durch eine Mitgliedschaft unserer Synode im LWB bedroht. Ich habe es noch nicht gehört, daß der lutherische Weltbund die volle Kanzel-, Abendmahls- und Kirchengemeinschaft zwischen lutherischen und reformierten Kirchen bzw. Gemeinden bejaht und bekennt. Oder können Sie mir eine bessere Belehrung darüber geben. Es ist wohl eine Tatsache, daß aus diesem Grunde die lutherischen Kirchen Deutschlands bis vor wenigen Jahren garnicht daran dachten, in irgendeiner Weise unsere La-Plata-Synode zur Kenntnis zu nehmen und später dann nur mit dem Versuch, uns den Rückschritt zur engeren konfessionellen Bindung zu erleichtern. Ich persönlich sehe in der Stellung unserer Synode als eine unierte Synode sogar eine hoffnungsvolle Aufgabe, wertvolle Beiträge zu leisten zur Kirchwerdung einer vereinigten evangelischen Kirche am Río de la Plata, ohne vorherige hemmende konfessionelle Blockbildung, einer vereinigten Kirche, in der das Erbe der Reformation neue Gestalt gewinnt. Kennzeichnend in dieser Hinsicht für das Weltluthertum ist das, was Friedrich Hübner in seinem Aufsatz "Lutherische Kirche in der Ökumene" im "Jahrbuch des Martin Lutherbundes 6. Folge"auf Seite 86 feststellt, daß die lutherische Kirche bei Zusammenschlüssen innerhalb der eigenen Konfession mit an erster Stelle steht, aber bei Zusammenschlüssen mit anderen Denominationen fast kaum oder sogar überhaupt nicht beteiligt ist. Es besteht also schon ein Unterschied zwischen der Glaubensgrundlage des LWB und der La-Plata-Synode, zwischen einem evangelischen Christen lutherischer Prägung und einem "genuinen" Lutheraner, der nicht einfach verwischt oder abgetan werden kann und darf, wohl dürfen und müssen wir im Gespräch bleiben. Und es bedarf wohl keiner Frage, daß ohne die dogmatische Bindung an den LWB in den vielen gemeinsamen Fragen und Nöten Lateinamerikas mit einer trotzdem doch noch breiten gemeinsamen Basis eine Arbeitsgemeinschaft unserer Synode mit den lutherischen Kirchen nicht nur erwünscht, sondern sogar geboten ist. Ich würde mich einer solchen Mitarbeit auch nicht entziehen. Wenn diese meine Ausführungen selbstverständlich meine persönlichen Gedanken sind, so glaube ich mich doch in Übereinstimmung mit dem Glaubensfundment unserer Synode und in Übereinstimmung mit der faktischen Wirklichkeit unserer Gemeinden und der mannigfachen Äußerungen aus unserer Synode von berufenen Männern. Diese Ausführungen ändern nichts daran, daß ich Ihnen recht herzlich für Ihren brüderlichen "Blitz"-Besuch aus heiterem Himmel im Dezember vergangenen Jahres danken möchte, auch im Namen meiner Gemeinde und als Erinnerung daran sollen die beiden beigefügten Photos dienen. In brüderlicher Verbundenheit Ihr Karl Schwittay Das Verhältnis zum Lutherischen Weltbund=24-6-1959
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