Heiligabendfeier 1952 im Flüchtlingslager Wibringhaus/Buer-Hassel | Conferencia Nº 016 | Lugar/Ort:Flüchtlingsl. Hassel | Fecha/Datum:1952 | | Resumen/Skopus: Weihnachtsfeier im Flüchtlingslager Wibringhaus | | Heiligabendfeier 1952 im Flüchtlingslager Wibringhaus/Buer-Hassel Wenn wir heute einen Rundgang so durch die Wohnungen unseres Ortes Hassel machen würden, könnten wir eine Unmenge von Erlebnissen mitnehmen. Wir würden sehen, wie sich überall in den Häusern ein reges Leben entfaltet. Nun, da zum grössten Teil die Arbeit ruht, kann die Zurüstung für das Weihnachtsfest beginnen. Die Weihnachtsbäume, die bis heute irgendwo an einem kühlen und geschützten Flecken verwahrt wurden, werden hervorgeholt und mit den schönsten glänzendsten Kugeln geschmückt. Wir sehen in die strahlenden Kinderaugen, die der Dinge harren, die in kurzer Zeit offenbar werden. Verschämt holt man die seit einiger Zeit aufbewahrten Geschenke hervor und macht sie recht weihnachtlich zurecht, damit sie auch würdig unter dem Weihnachtsbaum liegen können. Wir könnten viel Freude sehen und wir würden sogar miteingeladen, uns von Herzen mitzufreuen. Aber wir würden da und dort auch bemerken, wie manch ein Vater oder manch eine Mutter seufzt unter der vielen Arbeit, die in den letzten Tagen gemacht werden musste und manch einer dachte schon, ach, wäre doch diese Vorbereitungszeit schon einmal zu Ende. In manchen Häusern allerdings würde sich unser Herz vor Schmerz und Kummer zusammenziehen. Da geht die Mutter müde umher und weiss vor Kummer nicht aufzuschauen, denkt sie doch jetzt gerade, da sich die Familien rüsten, daran, wie lange es schon vorbei ist, da sie mit ihrem Mann hat so Weihnachten feiern können, der jetzt vermisst oder in Kriegsgefangenschaft in weiter Ferne einsam und verlassen sein Leben fristet. Oder wer wollte es vergessen, dass es auch heute noch bei uns viele Familien gibt, die sich nicht einmal das Nötigste zum Leben kaufen können, geschweige sich die Weihnachtstage festlich gestalten können. Denken wir an alle die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang, die die Augen weit öffnen würden, wenn sie alle die Pracht und Herrlichkeit im Westen sehen müssten. Und wir brauchen auch kaum zu erwähnen, wie es manchem von euch, die ihr hier im Lager das Weihnachtsfest begehen müsst, fern von der Frau und den Kindern, fern von den Lieben, zumute ist. Da können selbst dem Stärksten die Tränen kommen, viele versuchen ihre Traurigkeit im Alkohol zu vergessen. Aber wenn wir nach diesem Rundgang sagen würden, wir haben jetzt etas von Weihnachten gespürt, sei es in freudiger Erfüllung im trauten Heim, sei es in einem sehnsüchtigen Ausschauen nach dem, was wir verloren haben, so müsste ich doch sagen, dass wir das rechte Christfest unter diesen Umständen noch lange nicht zu Gesichte bekommen, denn das rechte Christfest hat es im eigentlichen Sinn garnichts mit Weihnachtsbäumen, mit einem Weihnachtsmann, mit Kerzen und mit einem trauten Heim zu tun. Ja, so fragen wir, womit denn? Wir kennen aus den Ereignissen der letzten Zeit nur zu gut, was es um ein Flüchtslingsdasein der vielen Menschen ist, die Haus und Hof verlassen mussten. Und nun wird uns einmal ein Spiegel gerade zu Weihnachten vorgehalten und in diesem Spiegel können wir uns alle wirklich erkennen als die Menschen, die wir real sind. Wir alle miteinander sind Flüchtlinge auf dieser Erde und irren umher, ohne Bleibe und ohne Heimat. Wir alle sind Menschen, die aus dem Vaterhaus unseres Gottes fortgegangen sind, geflohen. Allerdings ist es nicht so , dass wir aus diesem Vaterhaus, aus dieser Heimat, fortgetrieben worden sind, sondern wir selbst haben die Heimat verlassen. Viele von uns kennen sicher die Geschichte von dem Mann,der zu seinem Vater sagte: "Vater, gib mir mein Teil der Güter und lass mich jetzt meine eigenen Wege gehen. Mir gefällt es nicht mehr in unserem Haus." Das ist die Antwort von uns allen, die wir unserem Vater im Himmel gegeben haben. Ihm wollen wir nicht mehr gehorchen. Wir wollen alle selbst kleine Herrgötter sein. Wir wollen nicht mehr Aufträge und Befehle empfangen, sondern solche selbst an andere austeilen. Wir wollen das tun, wozu wir gerade Lust und Laune haben. Jetzt sind wir solche Menschen, die ganz auf sich allein gestellt sind, die das tun, was ihnen gerade passt. Und weil das so ist, darum geht es bei uns auf dieser Erde drunter und drüber. Darum gibt es unter uns soviel Zank und Streit, darum gönnt einer dem anderen nichts mehr. Darum gilt bei uns die Parole: Und willst du nicht mein Bruder sein, so ....... Darum greifen wir zu den mórderischsten Waffen um uns gegenseitig umzubringen. Darum soviel Elend und Armut auf dieser Erde. Die Heilige Schrift nennt uns "Menschen, die in der Finsternis wandeln." Darüber täuscht auch der herrlichste Glanz und das schönste Geschenk an diesem Tage nicht hinweg. Unwillkürlich kommt jetzt die Frage auf, gibt es denn aus dieser so ganz und gar verfahrenen Sache, gibt es aus dieser fried- und ruhelosen und von Hass erfüllten Welt keinen Ausweg? Gibt es denn keinen Weg aus unserem Flüchtlingsdasein heraus zurück in die Heimat zu unserem Vater im Himmel, der uns geschaffen hat und auch erhalten will? Das ist ja das Grauenvollste auf dieser Erde, dass es diesen Weg zurück gibt. Wir brauchen keine Flüchtlinge zu sein. Wir dürfen heimkehren. Aber wir lachen und höhnen diesem unserem Gott ins Gesicht. Wir wollen lieber alle miteinander zugrunde gehen als dass wir den Heimweg zum Vater antreten. Und doch, das dürfen und müssen wir in dieser festlichen Stunde wissen, wenn wir auch mit diesem Gott nichts zu tun haben wollen, wenn wir ihm weiter weglaufen wollen, Gott will es dennoch mit uns zu tun haben. Während wir von ihm weglaufen, geht er uns nach. Und immer dann, wenn wir meinen, wir sind weit genug von ihm entfernt, steht er bereits schon neben uns. Auf welche Weise holt er uns ein? Durch eine lange Geschichte hindurch, versuchte er uns zurückzurufen, und zwar durch Männer, die uns sein Wort sagten. Aber dann, als das alles nichts nützte, kam er selbst zu Bethlehem als Flüchtlingskind auf diese Erde. Seht, das ist Weihnachten! Dort im Stall zu Bethlehem in der Gestalt des Jesuskindlein kam und kommt Gott zu uns. Er kennt keine andere Aufgabe und hat keine anderen Gedanken als dich und mich jetzt an die Hand zu nehmen und zu bitten, lauf doch jetzt nicht mehr fort, sondern komm mit mir heim! Nur wenn wir diesen Ruf: "Komm heim!" heute gehört haben und diesem Rufe Folge leisten, feiern wir recht Weihnachten. Gott, der Herr, schenke uns eine gesegnete Heimkehr! Diese Ansprache wurde gehalten von Karl Schwittay.
|
|